Mehr als ein Skirennen

Der Skiweltcup erlebt an diesem Wochenende den Auftakt mit zwei Riesentorläufen in Sölden. Nach Anna Fenningers Unfall und dem vorhergegangenen Rücktritt mehrerer Leistungsträger wie Katrin Zettel, Marlies Schild und Niki Hosp ist das Damenteam des ÖSV wie erwartet praktisch wehrlos. Nun droht auch noch das IOC die  Olympiaabfahrt aus dem Programm zu nehmen. Die FIS sagte erst nichts, will sich jetzt wehren. ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel verlangt Reformen. Doch der Anschlag auf eine Kulturtradition ist nicht ausgestanden. Denn die Verantwortlichen für die Fehlentwicklungen des Skirennsports wursteln weiter.

Das Internationale Olympische Comitee IOC denkt daran, die Olympiaabfahrt abzuschaffen. Auch wenn man jetzt beflissen dementiert. Die Abfahrt ist zu teuer, zu uninteressant für Fans und TV-Sender. Das ist nichts weniger als ein mit wirtschaftlichen Argumenten bemäntelter Anschlag auf eine Kulturtradition. Doch das scheint niemanden zu kümmern. Ein Indiz dafür, dass der Skirennsport im Allgemeinen und die „Königsdisziplin“ Abfahrt im Speziellen keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken?

Selbst ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel meint, die Abfahrt gehörte halt reformiert. Zwei Durchgänge, eine anderen Startreihenfolge und ein „Qualifying Training“ wie in der – auch mit Fadesse kämpfenden – Formel 1. Dann würde auch die Abfahrt im Fernsehen bessere Einschaltquoten bringen. Kein Wort davon, dass der Skirennlauf der Abfahrt sein Charisma verdankt. Nur die Abfahrt brachte Männer hervor, in deren Sog sich das Land vor dem Fernseher versammelte. Slalomspezialisten? Ja, auch gut, aber zu feig für das echte Ding.

Hier sei nur die Dreifaltigkeit des österreichischen Winters erwähnt: Toni Sailer, dreifacher Olympiasieger 1956 in Cortina d’Ampezzo und Integrationsfigur der Wiederaufbauzeit. Franz Klammer (1976), der Sonnyboy und Repräsentant des Emanzipationsprozesses, der den Skisport von einer Naturliebhabertätigkeit in ein Element der Freizeitgesellschaft verwandelte. Und Hermann Maier, der 1998 auf einem japanischen Berg in der Olympiaabfahrt in den Tod und wieder zurück flog und wenige Tage später den Super G und den Riesenslalom gewann. Maier verkörpert den sportiven, ich-zentrierten Aufsteiger des beginnenden 21. Jahrhunderts. Weiterlesen

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Anna Fenninger, der ÖSV und das Geld

In der Sonntags-Presse vom 17. Mai 2015 ist eine Hintergrundgeschichte von mir über den Streit zwischen dem Skiverband und Olympiasiegerin Anna Fenninger zu lesen. Darin geht es um die Athletenerklärungen, die von den Sportlern zu unterschreiben sind, um überhaupt eine Lizenz zu erhalten. Diese Erklärungen schränken nach Meinung von Rechtsexperten die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Athleten ein. Wogegen sich nun Fenninger wehrt.

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Napoleon aus den Bergen

Gehen die österreichischen Skifahrer an den Start, gewinnt und zittert einer mit: ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel. Bei Olympia in Sotschi geht es nun um seine Zukunft

Er ist der Präsident des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) und der mächtigste Sportfunktionär Österreichs. Und doch geht Peter Schröcksnadel, 73, einer unsicheren Zukunft entgegen. Seine Skirennläufer müssen bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi Goldmedaillen gewinnen. Sonst werden zum ersten Mal, seit er vor 24 Jahren die Büroleitung des Skirennsports angetreten hat, Zweifel aufsteigen, ob er seinen Job noch schafft.

Mit den Siegen im Skisport ist schließlich die österreichische Nation erfunden worden. Mit dem Skisport und seiner Heldengeschichte darf man daher nicht spielen. Da war Toni Sailer, der Held des Wiederaufbaus nach 1945. Dann folgte der erste Popstar des Winters, Franz Klammer. Es kam Annemarie Moser-Pröll, die wohl beste Skifahrerin aller Zeiten. Und schließlich das Hybridwesen aus Mensch und Maschine: Hermann Maier.

Trotz Kritik an der Verhüttelung der Alpen, dem Ausbau der Skigebiete und den wasser- und energiefressenden Beschneiungsanlagen hält der Glaube an den Skisport das Land zusammen. Dieses Erbe darf keiner anpatzen, nicht einmal Peter Schröcksnadel. Auch wenn er den ÖSV seit 1990, als er ihn vom Innsbrucker Schuhhändler Arnold Koller übernahm, zu einem profitablen Unternehmen ausbaute.

14 Jahre lang hatte Koller den Verband geleitet und aus einem Wellental herausgeführt. 1984 in Sarajevo reichte es zu einer einzigen alpinen Olympiamedaille: Bronze für Anton Steiner im Abfahrtslauf. Doch im Winter 1989/90 hatten die Alpinen zum ersten Mal seit 1982 wieder den Nationencup gewonnen. Petra Kronberger holte vor Anita Wachter den Ski-Gesamtweltcup, Helmut Höflehner den Abfahrtsweltcup. Kollers Budget betrug damals 47,6 Millionen Schilling.

Das Budget von 2014/15 beziffert Schröcksnadel mit rund 40 Millionen Euro. Mit den Einnahmen, die nach wie vor fast ausschließlich aus dem Skirennsport fließen, muss der ÖSV Skispringer, Langläufer, Crossboarder, Snowboarder und Freestyler durchfüttern.

Schröcksnadel, das unternehmerische Genie: Er hatte einem Schweizer Architekten die Idee für ein Pistenmarkierungs- und -sicherungssystem abgekauft und 1971 die Firma Sitour gegründet. Sie stellte die grün-roten Markierungskugeln an den Pistenrand und malte schöne Panoramatafeln, damit sich kein Skitourist mehr verirren möge. Sein Angebot trug er in alle Alpentäler: Ich schenke dir die Kugeln und das Bild, dafür überlässt du mir die Werbeflächen im und um die Lifte.

Mit dem Panorama-TV lief es ähnlich: Ein anderer hatte zwar die Idee, Schröcksnadel aber baute das Konzept zu einem lukrativen Geschäft aus. Über seine Holding Feratel, in der mittlerweile die Sitour und die Beteiligungen an Bergbahnen gebündelt sind, hielt er 50 Prozent an TW1, einem Tourismus- und Wetterfernsehkanal. Vor kurzem hat der bisherige Hälfteeigentümer, der ÖSV-Sponsor ORF, auch Schröcksnadels Anteil übernommen.

So weit war er 1990 noch lange nicht. Doch der junge Präsident war unter Österreichs Skidorfkaisern bereits ein geschätzter Partner. Sein Ruf half ihm, die Macht der Marketingagenturen zu brechen, die Weltcuprennen von Kitzbühel abwärts vermarkteten.

Nur der ÖSV habe das Recht auf dieses Geschäft, argumentierte Schröcksnadel. Die Agenturen zogen vor Gericht, doch Schröcksnadel bekam recht. Zusätzlich zu den Werbeflächen an den Liftstationen konnte er nun – exklusiv! – auch die Startnummern und Werbebanden am Rand der Weltcuppisten verkaufen. Der Verband war auf eine solide Basis gestellt. Von den Liftbetreibern über die Dorftouristiker bis zu den Sportlern: Sie alle verdienten dank Schröcksnadel mehr und mehr.

Und nicht zuletzt Schröcksnadel selbst. Er hatte einen winterlichen One-Stop-Shop eröffnet, der die Interessen des ÖSV, der Firmen, der Sportler, Politiker und der Medien bündelte. Das Wirtschaftsmagazin Trend stellte vor zehn Jahren fest, dass „sowohl der Verband als auch Schröcksnadels Privatfirma sehr viele idente Kunden aufweisen“. Mit dem ORF und der Kronen Zeitung schloss er Sponsorverträge, die ihm die Propagandahoheit über den Winter sicherten. Im Internet lobt sich Sitour selbst: 1000 Skigebiete, 60.000 Werbeflächen, acht Länder, drei Kontinente, ein Ansprechpartner.

Die Verträge mit dem ORF und der Kronen Zeitung sorgen für wirtschaftliche Absicherung. Und Kritik an ÖSV und Schröcksnadel zeigt dank der medialen Firewall keine Wirkung. Wie wichtig der Schutz ist, zeigte sich 2013 bei der Schladminger WM, deren Eröffnungsfeier ein Sammelsurium von hanebüchenen Klischees bis hin zum Alpen-Popstar Andreas Gabalier bot.

Der Winterwerbesupermarketender Schröcksnadel hält Anteile an acht Bergbahnbetrieben in Österreich und mindestens einem in der Schweiz. In dem einen oder anderen seiner Reviere findet von Zeit zu Zeit ein Weltcuprennen statt, wann immer die FIS es für angemessen hält. Schröcksnadel sitzt im FIS-Council (18 Mitglieder), das unter anderem die Ausrichter von Ski-Weltmeisterschaften bestimmt. Österreich ist auf dem alpinen Sektor mit Saalbach 1991, St. Anton 2001 und Schladming nicht zu kurz gekommen.

Hinterfragt man die marktbeherrschende Stellung der Sitour (nach eigenen Angaben „neun von zehn Skigebieten“ in Österreich) hört man auch Unerwartetes: Schröcksnadel soll dem ÖSV zuliebe auch schon Businessentscheidungen getroffen haben, die nicht zum Vorteil der Firma waren. Angesichts des präsidialen Skifanatismus ist das gar nicht so unplausibel.

Schröcksnadel ist schließlich kein Scheuklappen-Skifahrer, seine Interessen zielen weit über die Perfektionierung der winterlichen Hegemonie hinaus. Der nie um originelle Ideen verlegen gewesene, vor kurzem verstorbene Publizist, Politiker und Verleger Fritz Molden wollte vor etlichen Jahren eine Biografie des Alpen-Napoleon, wie Schröcksnadel genannt wird, geschrieben haben.

Auf einem 24-Stunden-Termin zwecks Besprechung der Leitmotive stellte sich Schröcksnadel als kultivierter und gebildeter Gesprächspartner mit einem Hang zu einer endgültigen Meinung heraus. Die Stärken und Schwächen des heimischen (sport-)politischen Personals und die internationalen Geschäftschancen des Skisports analysierte er präzise. Schröcksnadel hat im krassen Gegensatz zum landläufigen Sportfunktionär einen Plan und den Willen zur Macht, ihn gegen alle Widerstände durchzusetzen.

Das Wuchern mit dem symbolischen Kapital Skisport katapultierte Schröcksnadel in eine singuläre Stellung im heimischen Sportsystem. Wahrscheinlich ist er besser vernetzt als 99 Prozent der heimischen Spitzenpolitiker. Der bekennende ÖVP-Wähler wurde angeblich vom damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel gefragt, ob er nicht Sportminister werden wolle. Wenn das wahr ist, hat Schröcksnadel abgelehnt. Dem ÖSV zuliebe und der Einsicht folgend, dass Schüssel nicht alles gemacht hätte, was Schröcksnadel von ihm verlangt haben würde. Somit dürfte es sich um den raren Fall eines Konflikts handeln, dem Schröcksnadel aus dem Weg gegangen ist.

Konkurrenten müssen auf solche Grenzerfahrungen noch warten. Sein exklusiver Zugriff auf die alpinen Werbeflächen führte nach einer Auseinandersetzung mit einem Mitbewerber, bei der es um einen rund 200.000 Euro schweren Auftrag des Autokonzerns BMW ging, zu einer Sachverhaltsdarstellung vor der Bundeswettbewerbsbehörde. Die Sache hatte keine Konsequenzen, der Auftrag wurde von Schröcksnadel in die Sitour geholt. BMW war damals noch ÖSV-Sponsor, seit einigen Jahren chauffiert Audi die Skistars.

In Österreich sorgte sein Freund, Vize-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), dafür, dass aus dem steirischen Landesbudget 141 Millionen Euro für die Schladminger WM 2013 gewidmet wurden. Und das in Zeiten des steirischen Sparkurses, dem Kindergärten, Schulen, Gemeindeämter zum Opfer fallen und der Familien für die Versorgung von alten und kranken Verwandten mittels Pflegeregress zur Kassa bittet.

Rund 48 Millionen Euro sind durch Landtagsbeschlüsse gedeckt, für mehr als 90 Millionen existiert allerdings kein Nachweis. Einschlägige Anfragen der steirischen Grünen wurden von Schützenhöfer im Landtag als „Dreckpatzeln“ bezeichnet und von Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) ignoriert. Der ÖSV hat bei der WM in Schladming übrigens Gewinn gemacht, wie Schröcksnadel selber zugibt.

Wie viel, das verrät er nicht. Nur, dass das Geld für die Zukunftssicherung des Verbandes verwendet werde. Auch geben weder er noch Schützenhöfer preis, wie viel Geld der ÖSV für die Ausrichtung der Schladminger WM erhalten hat.

Was wer wie sagt, ist Schröcksnadels Sache. „Ich würde keinem Sportler raten, sich politisch zu äußern. Das ist nicht sein Thema“, verlautbarte er kürzlich in einem Standard-Interview. Seither haben ihn Marcel Hirscher und Hermann Maier eines Besseren belehrt und zu den Menschenrechtsproblemen in Russland Stellung genommen. Maier wird nicht hinfahren. Skirennfahrer sind fähig, eine politische Meinung zu artikulieren, auch wenn das dem ÖSV-Präsidenten nicht ins Geschäft passt. Das spielt freilich alles keine Rolle. Es zählt das Netzwerk. Der unerfahrene ÖOC-Präsident, Casinos-Austria-Vorstandsvorsitzender Karl Stoss, hört auf Schröcksnadel. ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel, seit vielen Jahren ÖSV-Finanzreferent und Vizepräsident des Vorarlberger Skiverbands sowie neuerdings Präsident der Eishockeyliga, ebenso.

Dieses Netzwerk hievte ihn in das Amterl als „Koordinator“ eines 20 Millionen Euro schweren Förderprogramms, das aussichtsreiche Athleten in die Lage versetzen soll, sich optimal auf die Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro vorzubereiten. Seine Wahl wurde vom Olympiasieger und ehemaligen ÖSV-Direktor für die Nordischen Sportler (Skispringer, Langläufer, Kombinierer) Anton Innauer mit der in Österreich herrschenden Sehnsucht nach einem „Erlöser“ erklärt.

Doch weder verfügt Schröcksnadel über Erfahrung in der Beurteilung von Sommersportlern, noch hat er den eigenen Garten im Griff. Bei den Winterspielen in Vancouver 2010 holten die ÖSV-Herren so viele Medaillen wie Österreichs Team bei den Sommerspielen in London: null. Die Damen brachten immerhin vier heim, darunter die einzige Goldene (Andrea Fischbacher, RTL) der alpinen Abteilung.

Nicht einmal Missgeschicke gereichen dem Selfmade-Millionär zum Nachteil. Der ÖSV lieferte mit der „Blutbeutelaffäre“ bei den Olympischen Winterspielen von Salt Lake City 2002 und vier Jahre später in Turin, als Carabinieri das ÖSV-Quartier stürmten, die zwei größten Dopingskandale in der Sportgeschichte der Zweiten Republik. Schröcksnadel sagte vor internationalen Journalisten mit ewigen Worten: „Austria is a too small country to make good doping.“ Das IOC sperrte einige ÖSV-Sportler, der letzte Prozess zum Turiner Dopingthema endete in Italien mit bedingten Verurteilungen gegen zwei Sportler und einen Trainer sowie sechs Freisprüchen, unter anderem für Schröcksnadel. Seither ist die Welt wieder heil.

Schröcksnadel stellt den ÖSV gern als von öffentlichen Zuschüssen unabhängigen Privatbetrieb dar, doch der Bund zahlte alleine für die Ski-WM in Schladming 24,3 Millionen Euro. Dazu kommen jedes Jahr Zuschüsse für Sportveranstaltungen und Kostenübernahmen für Trainer. Derzeit lobbyiert er bei diversen Landeshauptleuten und bei Sportminister Gerald Klug (SPÖ) für eine ÖSV-Speed-Strecke. So ein Projekt kostet rund zehn Millionen Euro. Die ÖSV-Abfahrer bringen seit Jahren nichts mehr zusammen, nun soll der Steuerzahler einen Teil der Reparaturkosten übernehmen.

Doch die Zeiten werden härter, die Winter wärmer. Der in den Anfangsjahren von Schröcksnadel geschaffte ökonomische Aufschwung ist mittlerweile abgeflacht, das Herren-Skiteam hat nur mehr einen Siegertypen: Marcel Hirscher. Schröcksnadel braucht mehr als jeder andere im ÖSV und in Österreich eine strahlende Olympiabilanz.

Andernfalls wird ihn wieder wie in Turin ein Gefühl beschleichen, das er gar nicht brauchen kann: Irgendetwas läuft anders, als er es will.

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„Wem soll ich was nachtragen?“

Norbert Lopper, 95, wurde in Wien zu Grabe getragen

Oberrabiner Paul Chaim Eisenberg spricht an diesem Wiener Frühlingstag über einen alten Fußballer. In der Aufbahrungshalle des Israelitischen Friedhofs erzählt er von den Kreisen des Lebens, der Familie und den Freunden, die Norbert Lopper, den Kosmopoliten, Wiener, Österreicher, Juden, Fußballer und Sekretär der Wiener Austria durchs Leben begleitet haben.

Lopper hatte sich schon als Bub den Fußball als Lebensbegleiter ausgesucht, doch vielleicht war es umgekehrt und der Fußball hat ihn ausgewählt. Das Schulkind im Augarten, den Nachwuchskicker bei der Sparta und der Hakoah. Achtzehn Jahre war er alt, als er die Auflösung Österreichs erleben musste. Die Nazis und der „Anschluss“ an das von Adolf Hitler geführte Deutsche Reich zwangen ihn und seine Familie, nach Brüssel zu fliehen. Er heiratete, lebte von den Einkünften als Fußballer, bis ihn 1942 die Unmenschen einholten und das Ehepaar nach Auschwitz schickten. Sie ermordeten Rebecca Lopper, Norberts Ehefrau, seinen Vater und eine Schwester. Seine Mutter konnte Lopper hinter dem Rücken des KZ-„Arztes“ Josef Mengele retten.

Als er 1953 nach Wien zurückehrte, hatte er sich längst als Fußball-Manager ein europaweites Netzwerk geknüpft. Es waren gute Zeiten für den Fußball, im Nationalteam, das bei der WM 1954 Dritter (hinter Deutschland und dem Goldenen Mannschaft Ungarns) wurde, spielte ein Idol Loppers, Ernst Ocwirk. Da er mit einem Freund den ersten Fan-Club der Austria ins Leben gerufen hatte, wurde er 1956 als Sekretär engagiert. Bis 1983 führte er den Verein, heute würde man ihn „Manager“ nennen. In seinem winzigen Büro mit einem Telefon und einer Sekretärin half er dem legendären Geschäftsführer und späteren Präsidenten Joschi Walter, die Austria zu einer Größe im europäischen Fußball zu machen.

Und er war ein Sekretär, der Trainern wie dem legendären Nationalteam-Stopper Karl Stotz schon einmal anschaffte, zur Verpflichtung eines Spielers, den er, Norbert Lopper, ausgesucht hatte, mitzufahren. Es sollte Herbert Prohaska sein, der mit dem Wunderteam-Kapitän Mathias Sindelar und Bela Guttmann eine der bestimmenden Figuren dieser (Vereins)Kultur ist.

Guttmann arbeitete 1973 als Austria-Trainer, acht Jahre zuvor hatte er Benfica Lissabon so hergerichtet, dass sie das Zeitalter Real Madrids, denen Loppers Lebensfreund Ferenc Puskas diente, beendete. Und Sindelar hat der kleine Lopper 1936 in Aktion gesehen. „Ich war 17 Jahre alt“, erzählte er einmal. Die mit Abstand beste Austria-Ausgabe aller Zeiten erkämpfte sich in Budapest ihren zweiten Titel im Mitropacup, dem Vorläufer der Champions League. Lopper war dort und erlebte „eine ungeheure, von gefrusteten Ujpest-Anhängern angezettelte, Schlägerei“.

Sein Vermächtnis ist ein wunderbar gelungenes Leben, er trug trotz aller Demütigungen, der Ermordung eines Teils seiner Familie und der Folter im KZ keine Bitternis im Herzen. „Wem soll ich was nachtragen“, sagte er einmal wie nebenbei, „die Austria hat mir so viel gegeben.“

Norbert Lopper wurde vergangene Woche im jüdischen Friedhof zu Grabe getragen, dort, wo unter anderen Bela Guttmann und Leopold Böhm liegen. Er war 95 Jahre alt.

Johann Skocek, „Mister Austria – Das Leben des Klubsekretärs Norber Lopper. Fußballer, KZ-Häftling, Weltbürger“, Falter Verlag 2014, 224 Seiten, ISBN: 978-3-85439-525-6; € 24,90

 

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Grün ist die Farbe der Hoffnung

Seit einem gemeinsamen Termin von Sportminister Gerald Klug und Umweltminister Andrä Rupprechter wird wieder vom Bemühen gesprochen, Sportevents als Green Events zu gestalten, also nachhaltig. Die Ski-WM 2013 in Schladming war diesbezüglich ein Reinfall. Minister Klug lobte sie zwar, aber Experten stellten dem von Autoverkehr und einem Shuttle-Dienst mit Diesel-Bussen geprägten Spektakel kein gutes Zeugnis aus. Das vom ehemaligen Umweltminister Niki Berlakovich verliehene Nachhaltigkeitszertifikat und die von der Agentur brainbows geleistete Greenifizierung der WM dürften eher dem Bemühen geschuldeten sein, Image-Kosmetik zu betreiben.

Zum Nachlesen eine Falter-Geschichte vom Februar 2013, in der ein Fachmann des Ökologie-Instituts, Georg Tappeiner, zum Thema Stellung nimmt:

Derzeit (wie gesagt: Februar 2013, Anm JS) dient das Tauern-Städtchen Schladming als größte Partymeile des Landes. Der erhöhte Umsatz an Testosteron, Bier, Abgasen und Abfällen ist das Lebenselixier der Ski-WM. Patriotische Auswirkungen auf die Innenwelt der Österreicher werden begrüßt. Folgen für die Umwelt werden bestmöglich vermieden. Wo Hunderttausende unter ungeheurer Entwicklung von CO2 zusammenkommen, soll ein hehres Ziel erreicht werden: „Zero Waste“. Oder zumindest so getan werden. Das nennt man dann wohl: „Green Event.“

Am Anfang war Lillehammer. Die Olympischen Winterspiele im Februar 1994 in Norwegen warben als Erste ihrer Art mit der Farbe Grün: Umweltbewusst und behutsam sollten der Bau der Sportanlagen und die Durchführung des Mega-Events erfolgen. Die Winterspiele im französischen Albertville 1990 hatten als letze olympische Umweltsünde der graue Vorzeit die Umweltschützer auf den Plan gerufen. Mit Lillehammer entdeckte das internationale Event-Business Umweltschonung als Marketingstrategie.

Seit den Sommerspielen 2000 in Sydney schreibt das IOC den Nachweis schonenden Umgangs mit der Umwelt schon im Bewerbungsverfahren vor. Die Ski-WM (4. – 15. 2.) der FIS in Schladming nimmt auch auf die Umwelt Bedacht. Georg Tappeiner vom Ökologie-Institut freilich warnt: „Auch die großen Bemühungen, den Event schonend durchzuführen, bedeuten noch nicht, dass für die Region eine nachhaltige Verbesserung herausschaut. Wenn so viel Geld in Hand genommen wird, sollte ein großer Wurf herauskommen. Der ist nicht gelungen. Leider wird das aber so verkauft.“

Das Österreichische Ökologie Institut, eine unabhängige, aus Aufträgen finanzierte Institution, begleitete die beiden (schief gegangenen) Bewerbungen Salzburgs um die Austragung der Olympischen Winterspiele 2010 und 2014. Auch am Beginn der Schladminger Vorbereitungen 2008/2009 spielte das Institut Umweltgewissen. Als die steirischen Landtagswahlen 2010 nahten, verlor das politische Personal das Interesse am Öko-Thema.

Der Kick Off für das WM-Umweltmarketing erfolgte mit einer Flugreise über Grönland nach Island. ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel präsentierte mit VIPS, Journalisten und WM-Funktionären unter dem Rauch von zig Tonnen CO2 an einem klimatisch sensiblen Ort eine klimatisch sensible Ski-WM. Der Maler Christian Ludwig Attersee machte den Adabei, die Ex-Politikerin der Grünen, Monika Langthaler, das Umweltfeigenblatt für die lachhafte Aktion.

Langthalers Marketingagentur Brainbows wird vom ÖSV für WM-Umweltberatung bezahlt, sagt der bei Brainbows zuständige Martin Weishäupl. Die gemeinsam erarbeitete Charta „Skifest mit Herz – für unsere Natur“ listet umwetfreundliche Infrastruktur (keine neuen Pisten), Abfallvermeidung und Klimaschutz (Mehrwegbecher), umweltfreundliche Mobilität (ein E-Bus), den Verkauf regionaler Produkte (Milch, Käse, Bier) und die „Energiemodellregion“ Ennstal als Ziele auf.

Manche Projekte wurden dank der WM Wirklichkeit, andere sind davon unabhängig. Das neue Congress-Center wurde nach strengsten Umweltstandards errichtet. Doch daran muss sich jeder Häuslbauer halten. Die Nachhaltigkeit des Bauwerks besteht vor allem in den hohen Betriebskosten, vor denen sich viele Schladminger heute schon fürchten. In Pisten und Schneekanonen hätten die Plana-Bahnen auch ohne die WM investiert. Die ÖBB wollte Schladmings Bahnhof längst renovieren. Schön und gut, aber das Ennstal gehörte zweigleisig ausgebaut, sagt Tappeiner. Trotz Partyzügen wird der Autoverkehr über Autobahnzubringer aus allen Himmelsrichtungen und ein Shuttle-Service in Diesel-Bussen die Hauptbewegungsart bleiben.

Warum ist Schladming nicht autofreie Fußgängerzone? Schladmings Bürgermeister Jürgen Winter: „Illusorisch, Schladming autofrei zu machen hätte eine hohe siebenstellige Summe gekostet“, sagt er.

Langthalers Marketingagentur Brainbows wird wohl dennoch ihr strategisches Ziel erreichen, die WM als Green Event zu positionieren. Für die WM hat die öffentliche Hand auch in Zeiten von Sparbudgets rund 200 Millionen Euro locker gemacht. Dafür, so Tappeiner, sei der nachhaltige Nutzen für die Region zu gering. Alle Politiker reden davon, so Tappeiner, „aber wenn es um die Ressourcenverwaltung und die Investitionen geht, ist das Resultat mickrig. Leider auch in Schladming.“

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