Das Hotel zu den schlaflosen Fifa-Funktionären

Die FIFA erfindet sich in einem Tempo neu, dass selbst die ÖVP daneben blass aussieht. In der vergangenen Woche sind wieder führende Fifa-Funktionäre direkt aus dem Hotelzimmer im Zürcher Baur au Lac verhaftet worden. Funktionäre aus Süd- und Mittelamerika. Wirklich arm ist Issa Hayatou, der muss seinen alten Haberer, den suspendierte Fifa-Präsidenten Joseph Blatter, vertreten, bis ein neuer Präsident gewählt ist. Hayatou führt seit 1988 den afrikanischen Kontinentalverband CAF und nahm von der Marketingfirma ISL Schmiergelder. Mit den Kollegen von Süd- und Mittelamerikaner gehört er zu den Verfechtern einer Ausweitung der WM-Endrunde von 32 auf 40 Teams. Klar. Mehr Teams, mehr Spiele, mehr Geschäft. Als er den Plan auf einer Pressekonferenz vorstellte, schlief Hayatou, von den Mühlen des Amtes hergerichtet, ein. Die Fifaler waren angesichts der Stunden zuvor erfolgten Verhaftungen einiger Kollegen total maroni. Wenigstens wissen sie, wo sie nicht hingehen dürfen: Ins Baur au Lac. Und das FBI weiss, falls dort Typen von der FIFA einchecken: zugreifen. Sollten Hayatou Schlafstörungen heimsuchen, kann er sich dort ein Zimmer nehmen, und alles wird gut. Ein Tag sollte genügen.

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Der Nackte in der permeablen Festung

Die Konferenz „Play The Game“ bringt alle zwei Jahre Funktionäre, Aktivisten, Politiker, Forscher und Journalisten zusammen, um die Interaktion von Ethik, Sport und Gesellschaft zu besprechen

Als er aus dem Wasser watet, schüttelt der Nackte das Wasser von den Armen. In Aarhus, Dänemarks zweitgrößter Stadt, dämmert ein milder Spätherbstmorgen Die Nordsee hat neun Grad, die Luft zehn. Der Mann setzt sich am Strand auf einen Stein und blickt hinaus auf die Bucht. Sobald ihn die Meeresbrise getrocknet hat, geht er sicher seinen Bürojob an. Daneben im Hotel Marselis häufen Landratten nach einer belebenden heißen Dusche gebratenen Speck, Toast, Käse und Schinken auf den Teller und zögern kurz vor der Terrine mit den „blödkogt“ Eiern.

Wenn der Deutsche Fußball Bund DFB dubiose Zahlungen leistet, um mutmaßlich die WM 2006 ins Land zu holen, wird das von Sportjournalisten wie Jens Weinreich im „Spiegel“ aufgedeckt. Wenn die Russlands Präsident Wladimir Putin und der Scheich von Katar, Hamad Bin Khalifa al-Thani, an gewissen Strippen ziehen, um die WM 2018 und 2022 zu kriegen, steht das im Buch der englischen Enthüllungsjournalisten Jonathan Calvert und Heidi Blake („The Ugly Game“) von der Sunday Times. Wenn Russlands Leichtathletikverband mutmaßlich systematische Doping seiner Sportler deckt, ja mitorganisiert, thematisiert das der deutsche Aufdecker Hajo Seppelt.

Das Fach des Sportjournalisten hat sich längst von der Beschränkung auf Matchberichterstattung emanzipiert und hilft bei der Ermittlung von Skandalen. Natürlich nicht ganz uneigennützig, denn Aufdeckerstories verkaufen Zeitungen und bringen. Quote.

Die Tagung „Play The Game“ behandelt alle zwei Jahre grundlegende Fragen der Ethik, des Sports und der Gesellschaft. Diesmal versammelten sich mehr als 400 Aktivisten, Funktionäre, Politiker und Journalisten, um dunkle Mächte wie FIFA, DFB, IOC, Katar oder die Stadtregierung und Polizei von Rio de Janeiro auseinanderzunehmen.

Der ehemalige Journalist und aktuelle Internationale Direktor des dänischen Instituts für Sportstudien, Jens Sejer Andersen, stellt das Programm zusammen, lädt die Referenten ein. Sein Netzwerk umspannt die ganze bekannte Welt des Sports, unter anderem berät er den Europarat. An der Internationalen Charta der UNESCO über Bewegungserziehung und Sport hat er mitgearbeitet und wenn irgendwo auf der Welt Mega-Sportevents wie die Olympischen Spiele in China problematisiert werden, laden sie Andersen ein.

Viele Teilnehmer kennen einander von Meetings in der weiten Kongresswelt. Bob Munro ist wieder da, der eines Tages beschloss, seine UNO-Karriere aufzugeben und in den Mathare-Slums von Kenyas Hauptstadt Nairobi ein Sozialprojekt inklusive Fußballschule auf die Beine stellte. Sein Kampf gegen die Korruption im kenianischen Fußball zog Morddrohungen gegen ihn und Suspendierungen der Verbandsverantwortlichen durch die FIFA und die Regierung nach sich. Kenyanische Gangster sind lebensgefährlich, aber mit Bob Munro legt man sich besser auch nicht an. Mittlerweile tummeln sich mehr als 14.000 Jugendliche in den Nachwuchszentren, säubern die Slums und heölfen bei der Aids-Prävention. Munro erhielt für seine Arbeit den „Play The Game“-Award 2015 und stehende Ovationen.

Der Bürgermeister von Aarhus, Jacob Bundsgard, und Dänemarks Kulturminister Bertel Harder, eröffneten die Tagung und gaben das inoffizielle Motto aus. Ein Zitat des Kämpfers gegen die Apartheid und Präsidenten von Südafrika, Nelson Mandela: „Sport lacht jeder Diskriminierung ins Gesicht.“ Dafür muss man freilich was tun, von selber geht das nicht. Anne Brasseur, die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, skizzierte die Kernthemen der internationalen Sport-Agenda: Kampf gegen Doping, Hass und Hetze sowie Matchfixing, Good Governance und Zuschauergewalt.

Zumindest einen Punkt, den Wettbetrug, behandeln sie in den USA aber wirklich gründlich. Supervisory Special Agent Nicholas I. Cheviron schilderte in Aarhus, wie das FBI gegen das illegale Wettbusiness in den Staaten vorgeht. Sportwetten sind dort drüben, außer in einigen Oasen wie Las Vegas, verboten. Daher bleibt das Geschäft, das Cheviron auf mehr als 200 Milliarden $ schätzt – fast das Dreifache des Haushalts von Österreich! – den mafiösen Organisationen. Deren Zentralbüros stehen in Asien, vor Ort in den USA bedienen sie sich korrupter Coaches, Spieler oder Mittelsmänner, die willige Akteure verführen oder, seltener, erpressen. Ziele sind eher Spiele der Highschool-Meisterschaft, dort kriegen die Sportler nichts gezahlt. Profis der NBA beispielsweise schwimmen im Geld, die brauchen selten Zusatzeinnahmen. Aber auch in den kleinen Ligen zocken die Gangster durch manipulierte Quoten und gekaufte Spiele schnell mehrere Millionen $ ab. Weiterlesen

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Das Ziel der Selbstdressur, die tolle Sportlerfigur

Ein Spitzensportler ist in guten Tagen ein Vorbild dafür, wie perfekt der Mensch sich selbst dressiert. Peter Sloterdijk nennt das „Eroberung des Unwahrscheinlichen“. Anna Fenninger war drei Jahre lang ein Beispiel dafür. Doch im Mai betrat sie den Raum des Schmerzes. Sie beschwerte sich über die Missgunst, die ihr im Skiverband entgegenschlug. Ein Rosenkrieg mit dem ÖSV entspann sich, am Ende trennte sich Fenninger von ihrem deutschen Manager Klaus Kärcher. Bis heute steht auf ihrer Facebook-Seite das Posting in dem sie anmerkt, „jahrelang hintergangen“ worden zu sein. Nicht von Kärcher, wohlgemerkt. Der Unterwerfung unter das ÖSV-Regime folgte ein Sponsorvertrag mit einer Schokofirma. Wochen später verletzte sie sich beim Training das rechte, bisher intakte Knie schwer. Die Sportlerin des Jahres wird das laufende Wettkampfjahr für ihre Genesung brauchen. Der Stress in ihrem Leben ist im Sommer öffentlich geworden, seither steigt er in Sprüngen von unvorhersehbarer Quantität an. Die Eroberung des Unwahrscheinlichen gelingt nur, wenn der Dompteur und der Übende im Menschen zusammenarbeiten. Ist einer von ihnen abgelenkt, gerät die Selbstdressur außer Kontrolle und das Unwahrscheinliche bricht über den Übenden herein.

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Das Glück und sein langer Schatten

Das FBI und der österreichische Verein „Play Fair Code“ haben eines gemeinsam: den Kampf gegen das illegale Business mit Sportwetten.

AARHUS. In der kleinen dänischen Stadt Aarhus steht ein FBI-Agent auf der Bühne. Nicholas I. Cheviron ermittelt gegen das organisierte Verbrechen in den USA, das Spiele kauft und mit Wettbetrug ungeheure Gewinne erzielt. „Rund 100 Milliarden US-$werden in den USA pro Jahr in diesem Geschäft umgesetzt“,sagt Cheviron. Der Chef des US-Basketballverbandes NBA, Adam Silver, schätzt das Volumen des Sportwettenmarkts in Nordamerika auf bis zu 400 Milliarden$.

In Aarhus läuft die Konferenz „Play the Game“, Cheviron und andere Experten sprechen dort über verschiedene Aspekte der ökonomischen und gesellschaftlichen Realität des Sports. Selbst die 100 Millionen$,sagt Chevorin, sind ein Bruchteil des globalen Markts, der auf 500 bis 2000 Milliarden$ geschätzt wird.

Wetten und Matchbetrug

Illegales Wetten ist untrennbar verbunden mit Matchbetrug, argumentiert Cheviron. Das Phänomen beschädigt die Glaubwürdigkeit des Sports und entzieht dem legalen Wettsystem Marktpotenzial, mindestens die Hälfte des geschätzten illegalen Umsatzes. Um den Sport und dessen Geschäft zu schützen, hat die Uefa in Europa ein Frühwarnsystem eingerichtet. Dabei werden mit eigens dafür entwickelten Algorithmen im Internet die Quoten der angebotenen Sportwettkämpfe überwacht. Sobald sich verdächtige Verschiebungen ergeben, schlägt das System Alarm. Und das passiert in etwa 0,7 Prozent der Fälle bei den rund 35.000 beobachteten Spielen pro Jahr.

Der europäische Sportwettenmarkt setzte 2014 rund 200 Milliarden € legal um, das globale Ausmaß ist nach Schätzungen von Marktbeobachtern ungefähr doppelt so hoch (389 Milliarden €).Weil in reichen Märkten wie den USA das legale Wetten auf Spiele verboten ist, befriedigt dort der illegale Markt die Nachfrage. Alex Inglot arbeitet für Sportradar, ein Unternehmen, das in der Überwachung des Wettgeschäfts tätig ist. Täglich werden dort Millionen Daten ausgewertet. Inglot sagt, dass sich die Wettszene am Beginn des 21. Jahrhunderts durch das Internet grundlegend gewandelt habe: „Wir reden hier von der Globalisierung des Wettbusiness.“

In Europa sind Sportwetten sehr wohl erlaubt. In Österreich beispielsweise verlagerte sich ein Teil des Geschäfts von dem in Wien seit einigen Monaten verbotenen sogenannten kleinen Glücksspiel hin zu Sportwetten. Gewettet wird im Internet und in Wettlokalen. Eines der größten befindet sich gegenüber dem Hanappi-Stadion, das derzeit neu gebaut wird.

Asien ist Hotspot der Szene

Die illegale Szene, sagt Inglot, halte sich hauptsächlich in Asien auf. Von dort zieht sie dem in Europa erlaubten Wettgeschäft, wie dem ehemaligen Sponsor der österreichischen Bundesliga, Tipp 3, erhebliche Anteile ab. Um die Schattenwirtschaft einzudämmen und auch die Sportler zu schützen, entstand in Österreich 2012 der Verein „Play Fair Code“. Erst trug das Sportministerium die Hauptlast der Finanzierung, mittlerweile sind auch das Innenministerium und diverse Dach-und Fachverbände bis hin zur Deutschen Fußball Liga Partner und Mitglieder des Vereins. In Aarhus präsentierte Geschäftsführer Severin Moritzer die hauptsächlich auf Prävention und Aufklärung konzentrierte Initiative. Selbstverständlich, so Moritzer, unterstütze die Casinos Austria Tochter Tipp 3 die Arbeit des Vereins, nicht zuletzt, um so ihr legales Geschäftsmodell zu schützen. Moritzer klärt Profis und Nachwuchssportler über die Methoden der Leute auf, die Spieler und Trainer bestechen und anwerben. Schützenhilfe bekommt Moritzer aus Deutschland. Inglots Sportradar passt seit geraumer Zeit auch auf Österreichs Sport auf.

Cheviron und das FBI können nur dann ermitteln, wenn Banken oder andere in den USA beheimatete Institutionen für verbotene Geschäfte, beispielsweise Wetten oder Geldwäsche, verwendet werden. So etwa konnten die US-Behörden nur deshalb auf korrupte Fifa-Funktionäre zugreifen, weil die Herren ihre unrechtmäßig erworbenen Gelder teilweise über US-Geldinstitute verschwinden lassen wollten. „Illegale Wetten in Asien oder Europa sind aber leider außerhalb unseres Zugriffs“,sagt Cheviron.

Der englische Investigativjournalist Declan Hill sagte schon im Jahr 2005 voraus, dass der internationale Sport von Asien aus mit einer Welle an Spielmanipulationen überrollt werden würde. Die Prophezeiung hat sich bewahrheitet. Polizeimethoden wie die des FBI und Präventionsmaßnahmen wie die des „Fair Play Code“ können die massive Herausforderung durch die asiatischen Wettanbieter im Internet jedoch nur mühsam eindämmen. 2013 explodierte in Österreich ein Skandal um verkaufte Bundesligaspiele. Damals wurde gegen 30 Kicker ermittelt, einige mussten vor Gericht, manche gingen sogar ins Gefängnis. Von Erpressung durch mafiaähnliche Banden war in diesem Zusammenhang die Rede.

Pro Spiel sollen bis zu 100.000 € an Bestechungsgeldern geflossen sein, die Betrüger selbst sollen rund acht Millionen € an den Manipulationen verdient haben. Derartige Vorfälle ruinieren Image und Geschäft der Liga und der Wettanbieter, ist man in Aarhus überzeugt. Die Fädenzieher dieser Aktion saßen übrigens in Singapur.

siehe auch:
http://wirtschaftsblatt.at/archiv/printimport/4854952/Das-Glucksspiel-und-sein-langer-Schatten?from=suche.intern.portal

 

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Der Matchplan und das Lachen von Lionel Messi

Hier werden in unregelmäßigen Abständen Kommentare zum Zeitgeschehen und das – vor allem im Internet – um sich greifende Befindlichkeitsgeschwurbel mit Analyseanspruch veröffentlicht.

Fußballl ist ein Spiel. Manche ertragen die darin enthaltene Ungewissheit nicht. Bayerns Pep Guardiola ist so ein „Matchplaner“. Während des Spiels wachelt er stets, eine Maßschuhlänge von der Outlinie entfernt, mit den Händen vor seinem Gesicht herum, als verscheuche er eine Gelsenwolke. Ich frug Fred. Den Sky-Analytiker und Trainer Alfred Tatar. Er ist einer der wenigen „Experten“, der tatsächlich über das Fußballsystem und das einzelne Spiel nachdenken und darüber reden kann. Das glatte Gegenteil zu Lothar Matthäus und Hans Krankl.

Begriffe wie „Matchplan“ und „Gegenpressing“, sagte Fredr, verblöden den Kickerdiskurs. Früher war Spielerbesprechung, 20 Minuten. Aufstellung, was tamma offensiv, defensiv, Standardsituation? Jetzt ist Big Data, Analyse, Krieg der Systeme. „Matchplan“ klingt nach Schlachtplan. Suggeriert, dass für jede Wendung Vorsorge getroffen ist Natürlich Blödsinn. Die Spieler machen das Spiel, sagt Fred. Nicht der Plan. Geht gar nicht, Fußball ist zu komplex. Analysten kneissen das nicht und flüchten in Phrasen. Die archaische Weisheit des „Spüüt’s eicha Spü“ aber wird noch gelten, wenn Lionel Messi eines Tages nicht mehr über den medialen Taktikkauderwelsch lacht.

 

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