DER GERECHTE SCHLAF DER SECURITY
Donnerstag Mittag in Mallemort, dem Dorf des schlechten Todes, mit dem Totenschädel, den gekreuzten Knochen und der Amphore im Wappen und dem Pressezentrum plus angeschlossenem Trainingsplatz der Autrichiens. Es ist heiss, die ÖFB-Kicker haben eben das Vormittagstraining beendet, ein großer Teil bestand aus der Kernübung des österreichischen Weges. Spieler steht am Mittelkreis, passt zu Trainer am 16er, der passt zur Seite, der Spieler schießt aufs Tor, daneben. Wenn ein Kicker das hunderttausende Mal übt, besteht eine gewisse Chance, das er im Match den Kasten trifft. Die Öffentlichkeit war ausgeschlossen, die „Medien“ nach einer Viertelstunde ebenfalls, am Nachmittag war dann offenes Training, Teamchef Marcel Koller, ein unglaublich sympathischer und witziger Mann, kündigte an, nicht nur analytisches Passspiel zu bieten, sondern etwas Unterhaltsames. Das Tor treffen?
Der Platz ist von zwei Zäunen umgeben, auf dem ersten, hohen, sind grüne Plastikplanen, die das Beobachten des Trainings verhindern sollen und einen guten Durchblick bieten. Man muss sich dem Platz nur von der Seite der Gendarmerie nähern, vielleicht ist das auch die Absicht, dass die französischen Landgendarmen die Österreicher beim Schiessen beobachten können.
Ok, kein Zynismus, oder nur so viel, wie unvermeidlich. Nach 1500 Kilometern in zwei Tagen braucht die EM-Euphorie noch ein wenig Zeit zum Keimen. Zwei Mal sind der Hannes und ich zwischen Bregenz und Aix en Provence in schweren Regen mit Hagel gekommen, wir haben das mannhaft als kein Zeichen von oben gedeutet, umzudrehen. Auf der italienischen Autobahn waren wie immer die Irren unterwegs, in Frankreich halten sie immerhin Abstand, das ist auf der kurvigen Autobahn ab Ventimiglia kein Fehler. Auf dem Place de Augustin in Aix war bis auf hie und da vorbeischlendernde Polizisten in schussicheren Westen von Streiks, Terrorangst oder Euro nicht das Geringste zu spüren.
Die Zufahrt zum Teamhotel der Österreicher auf dem Weg von Aix nach Mallemort wird von zwei Gendarmen gesichert. Vor dem Tor zum Hotel steht noch ein Security, der bei der Frage nach dem Pressezentrum die rechte Hand wie beiläufig aber doch sichtbar über der Glock im Hüfthalfter schweben lässt. Sonst sind keine Sicherheitsleute oder –maßnahmen zu sehen, wobei sich eine genauere Inspektion verständlicherweise verbietet. Ich hoffe nur, dass der ans Hotel angrenzende Wald wenigstens in der Nacht von Cops mit Hunden gesichert wird, sonst könnte sich dort jede Pfadfindergruppe unnbemerkt bis zum Swimming Pool anschleichen.
Das Hotel selbst macht einen beinahe unerträglich gutbürgerlichen Eindruck. Hier wohnen normal nur Urlauber mit teuren Autos und Vorlieb für teure Menüs. Neureiche Parvenüs, Manager und Unternehmer, Zahnärzte und ab sofort eben Nationalkicker. Der Teamverteidiger Sebastian Prödl lobte auf der Pressekonferenz, wie viel Platz das Hotel biete und Kollege Martin Harnik fand anerkennende Worte für die vielen Spielmöglichkeiten, von der Play Station über den Pool und die Tischtennis-Platte bis zum Kraftkammerl mit Entspann-Effekt. Da die Mannschaft aus Gründen der fortgeschrittenen Gutbürgerlichkeit der Kickerei und der fortgeschrittenen Security-Maßnahmen allein im Hotel wohnt, „kann sich jeder ausbreiten“, wie PrödlHarnik festhielten.
Marcel Koller fügte auf die kritische Frage, wie die Mannschaft in Frankreich aufgenommen worden sei, hinzu, dass man sich hier in Mallemort, dem Ort mit dem Totenschädel im Wappen und der mehr als üppigen blutrünstigen Vergangenheit gut aufgehoben und daher wohl fühle. Das mit dem Totenschädel und dem Blut sagte er natürlich nicht, weil er es mit ziemlicher Sicherheit nicht weiss und wenn er es wüsste, würde er es nicht erwähnen, um nicht unnötig Druck auf die Mannschaft aufzubauen, sich einer weiteren glorreichen Vergangenheit würdig erweisen zu müssen. Weiterlesen