Schladming darf nicht Braunschlag werden

Im November 2012 erschien in der Presse ein Artikel, in dem über mehrere seltsame Phänomene nachgedacht wurde: die ORF-TV-Serie Braunschlag, die Ski-Wm 2013 in Schladming und den Zyniker Wolfgang Schäuble. Letzterer hat in seiner unnachahmlich Art vor kurzem den Franzosen ins Gesicht geschlagen. In den folgenden Zeilen erhalten sie vom Psychologen und Management-Coach Michael Schmitz einige Erläuterungen zum Machtmenschen Schäuble.

Die Republik Österreich subventioniert die Ski-WM 2013 in Schladming mit 24 Millionen Euro. Jetzt benötigt der Skilauf nur noch ein paar zugkräftige Typen.

Die ORF-Serie Braunschlag hat Österreich schön hergerichtet. Am Beispiel eines fiktiven, nach den Vorstellungen von Wiener Kabarettisten nachgebauten Waldviertler Dorfes wurde über die Kernkompetenz des Landes gewitzelt: Tourismus. Menschen mit zu viel Haushaltsbudget und Freizeit und zu wenig Fantasie flüchten vor dem Alltag in bunte Abenteuerkulissen. Kaum war die Serie zu Ende, gab Sportminister Norbert Darabos im Budgetausschuss des Nationalrats bekannt, der Tourismusmagnet Ski-WM in der schönen Kulisse von Schladming werde mit 24,4 MillionenEuro subventioniert.

Die Verführungskraft von Charismatikern zwingt Zuschauer vor den TV-Schirm und den Nationalrat dazu, zig Millionen Euro für ein zweiwöchiges Spektakel in einem steirischen Provinzstädtchen lockerzumachen. Und alle Beteiligten und Unbeteiligten freuen sich schon drauf. Andere Strahlemänner wurden vom Budgetausschuss des Parlaments auch bedacht: Ex-Weltmeister Werner Schlager beispielsweise erhält für seine Tischtennis-Akademie in Schwechat zusätzlich zur laufenden Förderung 700.000 Euro für Ausbauten. Das Sportbudget, sozusagen die Mindestsicherung des sportlich-charismatischen Segments der österreichischen Politik, muss in den kommenden Jahren als wahrscheinlich einziges Ressort keine Streichungen befürchten.

In seinem neuen Buch „Psychologie der Macht“ analysiert der ehemalige ZDF-Journalist, Psychologe und Management-Coach Michael Schmitz unter anderem die verführerische, inspirierende Wirkung charismatischer Figuren. Es geht ihm hauptsächlich um Politiker und Manager. Der deutsche Finanzminister Schäuble wird beispielsweise als menschenverachtender Zyniker enttarnt. Wenn Schmitz schreibt, dass „narzisstische Leader immer wieder in Grandiositätsfantasien verfallen und glauben, sie seien die Schöpfer des Universums“, fällt es nicht schwer, auch an Frank Stronach zu denken. In den Berichten über den US-Wahlkampf war die Sehnsucht nach Charisma, vor allem dem von Barack Obama, allgegenwärtig.

Das Thema Macht und Sport streift Schmitz bloß. Obwohl er immer wieder Sportler als Coach betreut. Die Vielschichtigkeit des Charismas von Sportlern wäre längst eine eigene Untersuchung wert. Der Sport lebt von den Verführern in den bunten Leiberln; Medien und Sponsoren lechzen nach ihnen. Die Leichtathletik behauptet sich dank Usain Bolt als globales Faszinosum. Die unvergleichliche Faszination der Champions League basiert auf der Ausstrahlung von Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. Österreichs alpiner Skilauf hingegen lebt immer noch von Hermann Maier. Er war der letzte Skiläufer, dem man zutraute, wie Schmitz schreibt, vieler Menschen „Empfindungen, Meinungen, Wünsche, Haltungen, Werte – alle Bereiche des menschlichen Seelenlebens“ zu beeinflussen. Und nicht nur die der Skifans.

Diese Typen werden in Österreich immer seltener. In der Politik ist das im Zweifel eher ein Glück, im Sport eine Bedrohung der Geschäftsgrundlage. Der Sommersport, vor allem in seiner hochgezüchteten olympischen Sonderform, droht zu einer Variante von Braunschlag zu verkümmern: Nichts geht mehr. Funktionäre denken angestrengt nach, verteilen Geld oder ziehen Geld an sich. Aber einen Ausweg aus dem Trott finden sie seit vielen Jahren nicht.

Selbst der Skilauf, der immer für einen Sportheiligen gut war und für den Wintertourismus die Lebensgrundlage darstellt, bräuchte eine Marienerscheinung. Robert Palfrader ist als Braunschlags Bürgermeister zurückgetreten. Vielleicht hätte er Zeit und Ideen für Schladming und darüber hinaus?

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„Das Leben ist wichtiger als jedes Abkommen“

Der israelische Historiker und Holocaust-Forscher Gideon Greif zu aktuellen Problemen in und um Israel und deren historische Wurzeln – und warum Kurt Waldheim in Israel immer noch ein Begriff ist, im Unterschied zu Bruno Kreisky

Der israelische Historiker und Forscher Gideon Greif (64) ist eine Autorität in der Geschichte des Holocaust. Zwischen 1983 und 2009 arbeitete er für die Gedenkstätte Yad Vashem. Er unterrichtet in Universitäten auf der ganzen Welt und publizierte zahllose Bücher. Unter ihnen „Wir weinten tränenlos“ mit Erzählungen von Überlebenden des Sonderkommandos im Konzentrationslager Auschwitz. Das Sonderkommando bestand aus Juden und hatte im KZ die Aufgabe, die zum Tod in der Gaskammer Verurteilten in die Hinrichtungsstätten zu führen und nach der Ermordung ihre Leichen zu verbrennen und die Asche zu entsorgen. Der Falter sprach mit ihm nach der Parlamentswahl in Israel, die Ministerpräsident Benjamin Netanyahu überraschend klar gewann, über aktuelle Belange und Vorfälle wie die Anschläge gegen Juden in Europa und die historischen Wurzeln des Konflikts zwischen IIsraelis, Arabern und Palästinensern.

FALTER: Herr Greif, hat ein Rechtsruck die Wahl in Israel zugunsten von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu entschieden, wie manche Kommentatoren in Mitteleuropa meinten?

Nein. Der Likud-Block ist noch immer die attraktivste Partei für die meisten Israeli. Sie fühlen sich in dieser Partei “zuhause” und glauben, dass Likud ihre Interessen und ihren Geist besser vertritt als jede andere Partei. Das gilt vor allem für viele “sephardische” Juden, also Juden aus den arabischen Ländern und dem Mittleren Osten, für die Likud die einzige Partei ist, die sie vertritt und respektiert. Diese tiefe Zugehörigkeit begann in den Tagen des Ministerpräsidenten Menachem Begin, der selber ein polnischer Jude war, ein „Aschkenasim“. Er verstand die Notwendigkeit, die Mehrheit von Israels Bevölkerung zu respektieren, die bis dahin von der Arbeiterpartei „Mappai“ über Jahrzehnte verachtet und vernachlässigt worden war. Das verhalf Begin zum großen Wahlerfolg 1977, als das rechte Lager und Likud zum ersten Mal in der Geschichte Israels an die Macht kam.

Ministerpräsident Netanyahu hat zwar etwas zurückgerudert, aber erhöht seine Ablehnung eines Palästinenserstaates nicht das Risiko eines neuen Krieges und die Annäherung der USA an die Palästinenser?

Es ist schwierig, eine Prognose für die Entwicklung in unserer Region abzugeben. Ich möchte betonen, dass die Präsenz eines jüdischen Nationalstaates im Mittleren Osten seit 100 Jahren von den Arabern und Palästinensern abgelehnt wird. Diese Haltung hängt nicht von einer aktuellen Veränderung der Politik der Konfliktparteien ab. Dieser Konflikt hat sehr, sehr tiefe Wurzeln und er wird nicht in der Amtszeit des Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu oder des US-Präsidenten Barack Obama gelöst werden. Vielleicht werden unsere Urenkel eines Tages hier in Frieden leben. Jeder, der die historischen Fakten kennt, ist zu diesem Schluss gekommen. Ich denke, das ist eine realistische und keine pessimistische Einschätzung.

Netanyahu versprach den Israeli den Bau neuer Siedlungen in den Palästinensergebieten. Verschärft eine derartige Politik nicht die Lage?

Vielleicht ist das der Fall. Aber wie gesagt sind die “Siedlungen” ein relativ neues Phänomen und sie sind sicher nicht das zentrale Problem des Konflikts. Als Anfang der 70er die ersten Siedlungen errichtet wurden, hatten Israeli und ihre Nachbarn bereits einige Kriege gegeneinander geführt. Ich möchte Ihre Leser daran erinnern, dass die Arbeiterpartei unter ihren Anführern Levi Eshkol, Yigal Alon, Yitzhak Rabin und Shimon Peres die Siedlungen befürwortete. Nicht die Likud-Partei, die war damals in Opposition.

Halten sie irgendeine eine Lösung des Konflikts zwischen Israel und den Arabern, speziell den Palästinensern in absehbarer Zeit für möglich?

Die Geschichte hält viele Überraschungen bereit und ich blicke mit den Augen eines Historikers darauf. Der Konflikt begann im 19. Jahrhundert. Er hat also sehr alte Wurzeln und er hat nichts mit dem Staat Israel oder den viel kritisierten Siedlungen zu tun. Der Grund ist: Juden kamen zurück in ihr historisches Heimatland und die Araber wollten das nicht. Diese paar tausend Juden hatten damals keine politischen Ambitionen, sie wollten nur in Eretz Israel, wie der biblische Name für unser Heimatland lautet, leben und sterben. Das bedeutet ihnen sehr viel. Dort lebten immer Juden. Sie waren nicht viele, und sie wurden schon wegen des Aufstands gegen Rom, und vorher wegen des Aufstands gegen die Griechen deportiert. Wir sprechen von einem uralten Konflikt, und solche Konflikte können viele Generationen lang dauern. Nehmen Sie den Irland-Konflikt, der ist 600 Jahre alt, unserer etwas mehr als 100 Jahre. Ich fürchte, dass nicht einmal Kompromisse helfen werden. Denn hier denkt jede Seite, dass sie recht hat. Jede Seite glaubt, ihr gehört das Land. Israel ist ein winziger Staat, du kannst nicht einmal seinen Namen auf die Landkarte schreiben, du musst das Mittelmeer dazunehmen.

Doch 1948, als der Staat Israel gegründet wurde und 1971, als die Israelis mit dem Bau der Siedlungen auf palästinensischem Gebiet begannen, änderte sich das Gesicht des Konflikts?

Der Grund des Konflikts änderte sich nicht. Der Grund ist einfach: Juden leben hier. Und die Araber wollen das nicht. Zwischen 1936 und 1939 war Krieg in Britisch-Palästina, Araber gegen Briten und Juden, es gab keinen Staat Israel. Und auch die Siedlungen änderten nichts am Grundsätzlichen.

Halten sie eine zwei-Staaten-Lösung für realistisch und angemessen?

Ich denke, es ist eine schlechte Lösung, keine Seite wird zufrieden sein. Wir werden in Gefahr sein, denn alle Zentren Israels werden unter Beschuss geraten. Die Grenzen von 1967, also vor dem Sechs-Tage-Krieg, zu denen manche zurückkehren wollen, würden Israel noch kleiner machen, ein Panzer könnte das Land in fünf Minuten vom Meer nach Osten durchqueren. Wir hatten einen Außenminister, Abba Eban, er war ein sehr kluger Mann und sprach 18 Sprachen, er sagte, die Grenzen von 1967 seien die „Auschwitz-Grenzen“.

Würde eine Rückkehr zu den Grenzen von 1967 vor dem Sechs-Tage-Krieg Vorbehalte auf Seiten der Palästinenser beenden und einen Weg zu einer friedlichen Lösung weisen? Diese Grenzen waren immerhin von der UNO anerkannt.

Ich fürchte, eine solche Maßnahme würde den Konflikt auch nicht beenden. Wenn die Palästinenser wirklich Friede wollten, würden sie nicht den Mythos der Flüchtlinge und den Druck auf uns aufrecht erhalten. Heute gibt es keine Flüchtlinge mehr von 1948, sie sind alle tot. Jetzt halten ihre Kinder diese Geschichte am Leben.

Ist es nicht verständlich, dass man auf das Stück Land zurückkehren will, das der Großvater verlassen musste? Das jüdische Volk kehrte ebenfalls in ein Land zurück, das es einst verlor.

Aber Israel ist unsere historische Heimat, wir haben keine andere. Und es ist so klein. Und selbst, wenn wir durch unsere Heimkehr anderen Unrecht zufügen – was können wir daran ändern? Das Leben ist nicht vollkommen. Der Holocaust hat bewiesen, dass Juden nirgends sicher sind, außer in ihrem eigenen Land in Israel. Es ist ein Unrecht gegen Palästinenser, ich gebe das zu. Aber wir haben keine andere Wahl. Wir machen das nicht in böser Absicht. Sie haben 22 Länder, in denen sie leben können. Wir haben bloß Israel. Weiterlesen

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In einem fremden, finsteren Land

Die 1. Olympischen Europaspiele in Aserbaidschan im Juni 2015 werfen ihre Schatten voraus – AI-Generalsekretär Heinz Patzelt über Sport und Menschenrechte

Das Internationale Olympische Comitee IOC hat ein Kind und es heisst EOC – Europäisches Olympisches Comittee. Ein Kind will sich bewegen, also ging das EOC nach Aserbaidschan, um in der Hauptstadt Baku die 1. Europaspiele (12. – 28. 6.) auszutragen. Aserbaidschan ist einer der spannendsten Flecken auf dem Planeten und in seiner Hauptstadt Baku sitzt ein echter Kerl, Ilham Aliyev. Amnesty International hat in einem aktuellen Bericht einige Fälle inhaftierter Regimegegner dokumentiert. Heinz Patzelt, der Generalsekretär von Amnesty International Österreich: „Das System in Aserbaidschan reagiert auf jede kritische Darstellung extrem restriktiv.“

Insgesamt sollen mehr als 100 Regimegegner hinter Gittern sitzen. Willkürliche Verhaftungen, Kontosperren und Büroversiegelungen von NGOs und andere totalitäre Maßnahmen mehr wendet der „korrupteste Mann des Jahres 2012“ systematisch an. Das 2012 gegründete „Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP)“ hatte Aliyev den Titel verliehen, weil er und seine Familie sich Firmen und Geld des mit riesigen Öl- und Gasvorräten gesegneten Landes eifrig einverleiben.

Das alles kratzt das EOC nicht. Dessen Präsident Patrick Hickey (Irl) lobt in einem Video auf der EOC-Homepage (http://www.eurolympic.org/en/) die Vorbereitungen in Baku. Hickey: „Ich bin ein glücklicher Mann. Unsere Erwartungen wurden in erstaunlichem Ausmaß erfüllt.“

Neue Hotels und Stadien sind aus dem Boden gestampft worden. Nach der Fasson anderer undemokratischer Länder wie Russland (Sotchi), Katar (Fußball-WM 2022) oder China (Sommerspiele 2008), die sich von internationalen Sportevents eine billige Imagepolitur erwarten. Aliyevs Regime soll mehr als sechs Milliarden $ für die Protzbauten ausgegeben haben. Schließlich will man neben anderen kontinentalen Festen wie den Asienspielen nicht abstinken.

Baku war der einzige Bewerber für die Spiele. Und es hat das nötige Kleingeld, um seine großspurigen Versprechen zu halten.

Bisher sind keine kritischen Äußerungen der ÖOC-Granden zu der Lage der Menschenrechte in der ehemaligen Sowjetrepublik Aserbaidschan bekannt. Weder ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel noch ÖOC-Präsident und Casinos Austria-Generaldirektor Karl Stoss reagierten auf mehrfache Bitte um Stellungnahme.

Die ÖOC-Mannschaft soll freilich mehr Sportler umfassen als die Delegation bei den Olympischen Winterspielen in Sotchi. Wenigstens wird der Spaß vergleichsweise billig. Aliyev zahlt allen teilnehmenden Sportlern die Anreise und den Aufenthalt.

Das EOC hob die Europaspiele im Dezember 2012 aus der Taufe. Sie sollen alle vier Jahre stattfinden und gehören den Nationalen Olympischen Comites Europas. Bei der ersten Auflage (12. – 28. 6. 2015) werden rund 6000 Sportler in 20 Sportarten wettkämpfen. Da die Athleten sich in manchen Sportarten direkt für die Sommerspiele in Rio de Janeiro 2016 qualifizieren können, besitzt die ansonsten eher absurde Veranstaltung einen gewissen sportlichen Reiz. Andere Disziplinen wie Schwimmen veranstalten in Baku Nachwuchsmeisterschaften. Auch die Leichtathletikabteilung wird angeblich mit einem drittklassigen Feld aufwarten.

Auch die Qualifizierung des aserbaidschanischen Regierungschefs zum Bussibären der Sportwelt hat schon begonnen. Auf der Homepage der Europaspiele findet sich ein Link zu Aliyevs Website. Dort findet sich unter anderen ein Bericht über die Rede Aliyevs zur Eröffnung des 4. Internationalen Humanitären Forums in Baku.

Patzelt: „Mit Sport lässt sich ein Image relativ billig korrigieren, ich muss nur ein paar Milliarden investieren, Sportpaläste und die Infrastruktur rundherum bauen und kann auf positive Berichterstattung bauen. Aber ich brauche nicht von meinem Machtsystem zu lassen.“

Leider seien Institutionen wie FIFA oder das IOC nicht an der Verbesserung der Menschenrechte interessiert, „sondern ausschließlich an der Gewinnmaximierung“, sagt Patzelt. Also was tun? Boykottieren? Nein, sagt Patzelt. „Das bringt für die Menschenrechte nichts.“ Sport verbinde, sagt er, vor allem die Zuschauer. Und er fordert dazu auf, „die teils unverschämten Forderungen der Sportverbände bei der Akkreditierung“ wie Maulkorberlässe in der Öffentlichkeit zu thematisieren. Patzelt: „Internationale Journalisten müssen aus solchen Ländern offen über Restriktionen und Verbote berichten, sie dürfen sich nicht den Mund verbieten lassen. Auch Sportjournalisten sind Journalisten.“

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Vom Hingreifen zum Übergriff

Sexueller Missbrauch: Tatort Sport, Prävention Sport

Ist der Sport ein geeignetes Feld, um das Bewusstsein gegen die Gefahren sexueller Übergriffe zu entwickeln? „Nein.“ Alfred Pritz, der Rektor der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien begrüßt die beginnende öffentliche Diskussion über das lange Jahre tabuisierte Thema des Missbrauchs in den Kabinen und auf den Sportstätten. Doch, schränkt er ein, Fachleute sollten den Diskurs begleiten. Pritz: „Sexualerziehung lässt sich nicht über den Sport abwickeln, das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.“

Auf der Abschlusskonferenz der europäischen Initiative „Sport respects your rights“ Mitte Februar im Wiener EU-Haus besprachen Fachleute mit Funktionären und Mitgliedern von zehn Sportorganisationen aus sechs Ländern Maßnahmen zur Verhinderung und Prävention gewalttätiger Entgleisungen. Die SPORTUNION fungierte als Gastgeber. Sie hat Anfang des Jahres das Thema Gendersensibilität und Prävention von Missbrauch in ihr Curriculum für die Basisausbildung zum Übungsleiter und bis hinauf zum staatlichen aufgenommen.

Was in Europa fehlt: empirische Untersuchungen über die Häufigkeit und Art der Übergriffe. Auch der Präsident der Sportunion, Hartwig Löger, kennt auf Befragen keinen einzigen Missbrauchsfall in seinem Verband. Vertrauensleute und Instanzenzug fehlen. Löger: „Jeder Missbrauchsfall ist einer zu viel.“

Bettina Rulofs, stellvertretende Abteilungsleiterin für Sportsoziologie an der renommierten deutschen Sporthochschule Köln, fordert daher „dringend empirische Studien über das Problem des sexuellen Missbrauchs im Sport.“ Leider sei das Thema noch weitgehend tabu. Während die Übergriffe von Priestern der katholischen Kirche längst weltweit diskutiert werden, scheue man in Europa noch davor zurück. Andernorts herrscht mehr Offenheit und Redlichkeit. Rulofs: „Für Australien oder Kanada gibt es sehr wohl einschlägige Studien und belastbare Zahlen.“

Ohne körperlichen Kontakt funktioniert Sport nicht, beispielsweise das Sichern der Übenden durch erwachsene Trainer. Rulofs: „Und oft sind die Grenzen zum Übergriff fließend. Auch deswegen müssen wir genau hinschauen.“

Die Beschäftigung mit der Sache ist freilich nicht neu. Der ASKÖ rief 2005 die Initiativen „call4girls“ und call4boys“ ins Leben. Er verteilt die Informationsbroschüre „Bei uns doch nicht“ (1. Fassung 2012), in der Wiens Sportstadtrat Christian Oxonitsch darauf hinweist, dass sich Schlagzeilen über sexuelle Vergehen von Trainern an Schützlingen „in letzter Zeit häufen“. Und führt einen „Sex-Prozess gegen Ex-Trainerin, die mit ihrem Schützling (13 Jahre alt) schlief“ aus 2010 und einen Vorfall aus 2009 an: „Trainer verging sich an Buben: Acht Jahre Haft.“

Die Broschüre listet unter der Überschrift „Prävention mit Kindern und Jugendlichen“ einige eher allgemeine Rechte und Prinzipien auf, unter anderen Gefühlserziehung, Körperbewusstsein und die Unterscheidung von angenehmen und unangenehmen Berührungen, ganzheitliche Sexualerziehung, Unterscheidung von guten und schlechten Geheimnissen und das Recht auf Nein und Grenzsetzung. Anschließend wird eine Einführung in die Gesetzeslage, die kindliche Sexualität und die „Dynamik, die hinter sexuellen Übergriffen stehen“ geboten.

Der Umgang von Erwachsenen mit Kindern und Jugendlichen zwischen Kabine, Übungs- und Wettkampfstätte ist weitgehend als Autoritätsverhältnis definiert. Falls der Erwachsene es ausnützt, wird die Sache strafbar (§212 Absatz 1 Strafgesetzbuch). Liegen sexuell motivierte Handlungen vor, kommen § 206 oder 207 zum Tragen. Der Strafrahmen reicht in schweren Fällen bis zu zehn Jahren Haft.

Familienministerin Sophie Karmasin wies vor der Tagung im Februar darauf hin, dass die Zahl der Beschwerdefälle bei den Beratungsstellen steige. Karmasin: „Vor 25 Jahren wurde der Schutz vor Gewalt in die Verfassung aufgenommen. Und die Kinderrechte in die UN-Konvention.“ Diese Rechtsgüter gelte es zu schützen. Einschlägige Studien zeigten, so Karmasin, dass jeder zweite Jugendliche mit unsittlichen Avancen konfrontiert werde. Auch deshalb investiere der Bund „einen zweistelligen Millionenbetrag“ in die landesweite Familienberatung.

Das Problem scheint sich zu verschärfen. Der prominenteste Fall ist wohl der des Doppelolympiasiegers (1984, 1988) im Judo, Peter Seisenbacher. Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigt laufende Ermittlungen wegen angeblichen Missbrauchs und schweren Missbrauchs von Unmündigen. Es gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Weiterlesen

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Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch: 9. 3. 2015 Wiener Rathaus

BK-Preis 09-03-15

Ulrich Lehner, Anerkennungspreis, Andreas Schieder, Jurymitglied, Johann Skocek, Anerkannungspreis, Hannes Swoboda, Fußballexperte und Laudator, Gudrun Harrer, Preis für das publizistische Gesamtwerk, Najem Wali, Hauptpreis, Michael Ludwig, Stadtrat und Gastgeber, Alfred Gusenbauer, Jurymitglied (v. l.)

Für das Buch „Mister

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