Der Duft von Lavendel
Im Eingang des ÖFB-Pressezentrums steht ein riesiges Plakat, das Robert Palfrader, Herbert Prohaska und Ivica Vastic zeigt. Die drei Männer mittleren Alters haben sichtlich Freude daran, als Werbefiguren für den Verband auftreten zu dürfen. Bei Prohaska und Vastic ist das sofort einsichtig, denn sie sind ehemalige Kicker, der eine analysiert für den ORF Spiele, der andere trainierte im abgelaufenen Spieljahr die Mannschaft von Mattersburg knapp am Abstieg aus der Bundesliga vorbei. Kein Wunder also, dass sie über eine leichte, sinnvolle Arbeit erfreut sind.
Das mit dem Palfrader auf einem ÖFB-Plakat wird sich auch noch klären. Der Mann tritt ja beim ORF als Kaiser verkleidet auf, und das finden nicht nur Manche lustig, der ORF ist auch ein Hauptsponsor und Übertragungspartner des ÖFB. Vielleicht stehen wir ja am Beginn einer großartigen Freundschaft, in der Akteure und Unterstützer ausgetauscht werden. Als nächster Schritt wäre die Mitwirkung des ranghöchsten Mitglieds der ÖFB-Monarchie, des Teamchefs Marcel Koller, als Werbefigur für die ORF-Religionssendung. Das ist ernst gemeint, Fußball ist eine Glaubensangelegenheit.
Marcel Koller hat nämlich zuletzt erkannt und öffentlich kundgetan, dass Portugals Stürmerstar Cristiano Ronaldo schnell ist und die Abwehr „kompakt stehen“ müsse. Außerdem müsse man „mehr Ruhe reinbringen“ in das eigene Passspiel. Das wird ohne Exerzitien nicht gehen. Wo doch Aleksandr Dragovic gesperrt und Zlatko Junuzovic verletzt ist. Junuzovic hat einen Teilabriss des äußeren Bandes im rechten Knöchel. Teamarzt Richard Eggenhofer hatte in der ersten Diagnose von stabilen Bändern gesprochen, tatsächlich ist ein Band also teilweise ab. Ob Junuzovic noch während der Euro wird spielen können? Schwer vorstellbar. Man kann sich leicht vorstellen, wie der Betreuerstab bei seinem Arbeitgeber Werder Bremen in die geballten Fäuste beisst und betet, dass der ÖFB den Jungen in Ruhe seine Verletzung auskurieren lässt.
Hier in Frankreich wächst überall Lavendel, nicht nur vor dem und in metaphorischem Sinn auch im ÖFB-Pressezentrum. Der duftet, dass es eine Art hat, gegen den Hunger und die einseitige Ernährung durch drei regelmäßige Fußballmatches jeden Tag helfen abgezupfte Lavendelblüten. Man hält sie vor die Nase und atmet kräftig ein und fast alles ist gut. Der Hannes, der in den vergangenen Tagen immer stiller geworden ist, und ich haben das Auto mit Lavendelblüten ausgelegt, sodass es jetzt duftet wie auf einem Lavendelfeld. Dadurch werden die langen, durch malerische Landschaften auf kurvigen Landstraßen führenden Fahrten noch schöner als sie ohnehin sind. Wir sind von Apt in der Provence nach Norden aufgebrochen, durch viele viele Platanenalleen, hinten schließt alle paar Minuten ein Tieflast auf, aber du kannst nicht nach rechts, weil rechts ist ein tiefer Graben entlang der Straße und wenn du dort hineinrutschst, hast du nicht nur einen Achsbruch, sondern wirst auch noch gefangen wie an einem Alleebaum, überschlägst dich und der Totengräber, der den Graben wahrscheinlich finanziert hat, braucht nur mehr zuschütten, was allerdings seine Marktchancen verringert.
Das stimmt natürlich alles nicht, es soll nur die Schönheit der französischen Landschaft nahe bringen, die sich aufs bildhübscheste mit malerischer Gegend abwechselt. Dazwischen Wälder, Wiesen, Kuhherden, Seen, der Gorges de Verdon, ein Canyon mitten in der Provence. Oder die Durance und die Loire, zwei gelassen dahinfließende Ströme, an deren Ufer beispielsweise das Chateauneuf du Pape, einst Schlösschen der während einer sogar für die katholische Kirche ungewöhnlich perturbierten Phase in Avignon residierenden Päpste. Jetzt ist von Schloss nur mehr ein verfaulter, über die Loire ragender Zahn übrig. Schwitzende Touristen klettern die paar Stufen hinauf und fotografieren die Ruine und sich selbst, fallen nachher aufseufzend in den Sessel eines Restaurants, trinken Papstschlosswein und sind für einige Minuten Teil einer gutvermarkteten Geschichte. Ich finde den Wein übrigens nicht so besonders, aber ich kenne mich nicht aus, was mich und den Hannes, der sich weinmäßig viel besser auskennt, schon 1998 in Margaux und der Medoc und jetzt wieder erstaunt hat, sind die von Horizont und weit darüber hinaus reichenden Weinfelder.
!998 hat übrigens der Chefredakteur des Standard, Gerfried Sperl, vorsichtig bei der Sportredaktion angefragt, warum sie solchen Unsinn von mir veröffentlichen, das mit den Weinfeldern, wo man doch wissen müsse, dass das Weinberge heißen und sein müssen. Ich bin sicher, dass er das inzwischen viel besser weiss, zu seiner Entschuldigung muss man sagen, dass er aus der Steiermark kommt, dort haben sie tatsächlich Weinberge, aber sie machen daraus nur Schilcher und so. Was angesichts des Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer und seiner ehemaligen langjährigen Vertrauten und Bürochefin Margit Kraker, die in einem Akt österreichischer Demokratie zur Präsidentin des Landesrechnungshofes bestellt wurde, ja noch ein geringeres Problem dieses Bundeslandes ist. Vor kurzem haben die Koalitionspartner ja die Frau Kraker zur Präsidentin des Bundesrechnungshofes gesalbt, die Schilcherdemokratie hat sich also durchgesetzt und von der Förderung der Ski WM 2013 durch die angebliche „Reformpartnerschaft“ von steirischer SPÖ und steirischer ÖVP und die nachfolgende Nicht-Prüfung des ÖSV will ich hier nicht wieder anfangen, sonst fragt mich der Hannes zu Recht, warum ich immer so grantig bin, wo es doch im Nationalpark in der Region Ardeche, wo wir grade herumgurken, so besonders schön ist.
Hier gibt es keinen Lavendel, aber auf der Fahrt nach Annonay sind wir über eine Hochebene gekommen, auf der riesige Flecken einer leuchtend gelben Staude wachsen. Ich habe sie nicht fotografiert, sonst komme ich mir auch vor wie ein Tourist, aber das war die landschaftlich schönste Gegend seit langem. Am Abend haben wir dann die Spanier angeschaut, die scheinen im Unterschied zu den Deutschen langsam warm zu werden. Seit dem Match gegen Albanien kann ich übrigens den kleinen Bladen Götze nicht mehr ausstehen. Der Hannes sagt, das ist ungerecht und ich soll nicht so deppert reden, und er hat sicher Recht, weil er hat meistens Recht, wenn es um Fußball geht.
Jetzt nichts mehr über Fußball, höchstens über Palfrader. Das Rätsel seines Auftritts auf dem ÖFB-Plakat hat sich übrigens geklärt. Der Hannes sagt, das ist der Andi Herzog. Der schaut aber von den vollen Wangen har wirklich dem Palfrader ähnlich. Finde ich jetzt fast schade, dass das nur ein Ex-Kicker ist, wäre so ein Indiz gewesen, dass der ÖFB über seinen Tellerrand hinaus denken kann. Aber sie halten es leider mit dem von allen verehrten Herrn Koller. „Mehr Ruhe rein bringen“, und „hinten kompakt stehen“. Der Hannes und ich haben ja den Lavendel gegen derartigen Lavendel, aber was machen wir, wenn wir und die Teamkicker und der ganze ÖFB wieder daheim sind?