Am Kap der Angst

Wieder werden Journalisten gekündigt und stellt sich die Frage nach Qualität und dem Oxymorongehalt der Gewerkschaft

Jetzt haben wieder 20, 30, 40 Familien Angst. Familien, die ganz oder teilweise vom Gehalt eines Journalisten leben. Derzeit werden von der Geschäftsführung der angeblichen Qualitätszeitung „Der Standard“ Kündigungen und Änderungskündigungen ausgesprochen. Wieder einmal wird vom Gehalt älterer, besser bezahlter Mitarbeiter abgeschöpft. Damit angeblich der Betrieb, wie es in allen vergleichbaren Fällen in allen Sparten heisst, nicht gefährdet wird.

Verzichten Herausgeber und Eigentümer Oscar Bronner und Geschäftsführer Wolfgang Bergmann ebenfalls auf ein Viertel, Fünftel oder Sechstel ihrer Einnahmen?

Die Angst geht wieder um im Journalismus. Warum schreibt niemand ein Buch über tüchtige, opferbereiten, geduldigen Journalisten, die ausgenützt werden? Warum schreiben die klügsten Köpfe dieser Branche so gern über das dank ihrer prophetischen Gabe vorhersehbare Ende der Zeitungen und niemand über das Ende der unwürdigen Zustände von Ratlosigkeit, Enttäuschung, Vereinzelung, jeder-gegen-jeden-Wettlauf, „Race-to-the-Bottom“?

Wahrscheinlich auch deswegen, weil man über anonyme Vorgänge, Schicksale ohne Namen, leichter reden kann als über Lebende, die auf ihre Jobs angewiesen sind. Im Journalismus haben wir seit mindestens fünfzehn Jahren eine Phase erreicht, in der die Qualität eines Blattes und die Qualität eines Journalisten keine Rolle mehr spielt. Es sei denn als Behauptung und Feigenblatt dafür, wie im Falle des Standard auf seiner Homepage unzählige unsägliche anonyme Postings zu veröffentlichen. Vielleicht war das aber auch immer schon so und die Medienbranche pflegt ein prekäres Verhältnis mit Qualität. Das festzustellen, ist in einem winzigen, hoffnungslos verfilzten Markt wie Österreich nicht ohne Risiko. Armin Thurnhers Repitition der Hoffnung, der Mediamil-Komplex müsse zerschlagen werden, hat nicht nur mit der erdrückenden Marktpräsenz dieses Molochs zu tun, sondern auch mit dem in jedem Monopol gefährdeten Status der Mitarbeiter.

Journalisten sind auch dazu da, den Dingen auf den Grund zu gehen. Das ist keine besondere Qualität des investigativen Journalismus, sonder einer der integralen Bestandteile der Arbeit aller Zeitungsschreiberlinge. So haben wir das zumindest einmal gelernt. Daher sollte bei der Schilderung der Vorgänge im Standard dazugesagt werden, dass meinen Informationen zufolge die Mitarbeiter der Online-Ausgabe nicht von den Gehaltskürzungen betroffen sind. Der ausschlaggebende Grund dafür dürfte ihre ohnehin selbst für Qualitätsblätter niedrige Entlohnung sein.

Das ist freilich auch einer der Gründe, warum die zwei Teams Online-Print nicht oder nur unter großen Schmerzen zusammenwachsen. Den Onlinern im Standard ist es vor nicht allzu langer Zeit so schlecht gegangen, dass sie sich zu einem öffentlichen Protest gegen den mit ihnen gepflegten innerbetrieblichen Umgang entschlossen. Wer die unflachen, von keinem Halt gebenden Redaktionsstatut gesäumten Hierarchien dort einmal erlebt hat, kann einschätzen, was das bedeutete.

Aber die Bedrohungsferne von Vertragsänderungen oder –endigungen ist selbstverständlich eine relative. Das vermaledeite Gehaltschema kann jederzeit ein Niveau annehmen, in der auch der noch so kleine Lohn für einen Qualitätsbetrieb nicht mehr verkraftbar ist. Und wenn sämtliche Kollektivvertragsüberzahlungen im wohlverstandenen Interesse des Unternehmens und des Unternehmers abgebaut sind, werden sie den nicht mehr ins Branchenschema passenden Kollektivvertrag selbst angehen. Aber das, fällt mir gerade ein, haben sie ja im Verein mit der Journalistengewerkschaft (es wäre zu überlegen, ob dieser Begriff ein sozial anerkanntes Oxymoron ist) ja schon erledigt.

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Eine Antwort zu Am Kap der Angst

  1. frizzdog schreibt:

    nachdem man offensichtlich auch nur mehr schreiben darf, was den inserenten passt oder gar den „freunden europas“ weicht auch das zahlende qualitätspublikum aus.
    und so viel werden rabattangeworbene inserenten nie bezahlen können, dass diese rechnung qualitativ aufgeht!

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