Für Journalismus bleibt da wenig Platz
Das ist ein Gastkommentar, der in der Ausgabe 5/2014 in der Fachzeitschrift Horizont erschien. Da er meiner Meinung nach im dröhnenden Schweigen nach dem Dopingskandal des ÖSV-Langläufers Johannes Dürr neue Aktualität erhielt, stelle ich ihn auch hier auf meine Homepage.
Zu den Olympischen Winterspielen von Sotschi tritt wieder der erste Hauptsatz von der österreichischen Identität in Kraft: Während der alpinen Skirennen findet und erfindet sich die Nation Österreich immer wieder neu. Seit Anton Sailer mit den drei Goldenen während der Winterspiele in Cortina d’Ampezzo 1956 der wenige Wochen zuvor von den letzten Besatzungssoldaten befreiten Land neues Selbstbewusstsein einimpfte, gilt der Skirennsport als Schlüssel der österreichischen Identität.
Der Österreichische Skiverband und sein Präsident Peter Schröcksnadel haben mit den Sponsor- und Kooperationsverträgen mit dem ORF und der Kronen Zeitung sicher gestellt, dass keine ernstzunehmende Kritik an der Pseudo-Kirche Skisport aufkommt. In den Verträgen ist (hoffentlich) nicht von einer Beschränkung der Berichterstattung die Rede, doch die überwiegende Mehrheit der Sportjournalisten kümmert sich ohnehin ausschließlich um die sportliche Performance der Skihelden – oder was sportlich ungebildete Berichterstatter dafür halten. Siege braucht die Nation zum Wohlfühlen, und Sieger. Einschaltquoten und Auflagen steigen, wenn Österreicher gewinnen. Oder zumindest glauben gemacht wird, dass das so sein wird. Vor der Ski-WM in Schladming 2013 wurde der rekonvaleszenten Slalomläuferin Marlies Schild das „Wunder“ ihrer Genesung zugeschrieben. Sie sollte die Aufmerksamkeit und Zuschauerzahlen steigern. Schild scheiterte im Wettkampf (9. Platz), das war dann kein Wunder mehr.
Die Berichterstattung von Spitzensportereignissen und deren gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen oder ethischen Implikationen hat mit Journalismus im Sinn einer kritischen Reflexion aus einer Mindestdistanz zun Personen und Themen kaum mehr etwas zu tun. Aus Fachhochschulen drängt eine steigende Flut von jungen, formal tadellos ausgebildeten Journalisten gegen die Tore der Medien. Aber die finanziellen Ressourcen der Verlage erlauben die Anstellung neuer Mitarbeiter kaum, oder nur im Tausch gegen den Hinauswurf älterer, teurerer, erfahrener Kollegen. Internet-Medien im Sportsektor (abseits.at, 90minuten.at) sowie Fußball-Blogger sind auch keine Lösung des Problems. Sie verbreiten gern Abfälliges gegen „Mainstream-Medien“, gefallen sich jedoch selber oft in Klienteljournalismus (wessen Klub Fan ich bin, dessen journalistisches Lied ich sing) oder Pseudo-Analysen, beispielsweise die mit dogmatischer Attitüde vorgetragenen Taktik-Analysen aus der Feder von fachlich ungebildeten Menschen.
Insofern stellen die Verträge zwischen ÖSV und ORF sowie Krone quasi nur die Kodifizierung der herrschenden Verhältnisse dar. Freilich ist angesichts der exorbitanten Kosten für Übertragungsrechte von Weltmeiserschaften oder Olympischen Spielen kritische Distanz schwer und die Angst um Quote und Auflage naheliegend. Der ORF kann es sich nicht leisten, die Skirennen der Olympischen Winterspiele nicht zu kaufen, egal was sie kosten. Andernfalls würde er seine Position als Ort der nationalen Verbindlichkeit aufgeben.
Die einzige Fluchtmöglichkeit für Anhänger des „reinen Sports“: Winterspiele anschauen, Kommentarton auf stumm stellen und Zeitungen, vor allem Boulevardblätter, meiden.
schon irgendwann irgendwo irgendeinen pschipräsidenten im zielraum gesehen??
nein?
dafür den schreckensnagel dauernd.
bei jedem läufer, der hinter Marcel liegt, ein TV-händedruck.
das nennt man sportlichkeit.
It’s imavrptiee that more people make this exact point.
IMHO you’ve got the right answer!