„Geld schießt keine Tore“ – eine Torheit

Eine Analyse auf Basis offiziell veröffentlichter Personalbudgets zeigt durchaus Unterschiede. Die Kostenexplosion ist mit der Freizügigkeit von Didi Mateschitz erklärbar – alle anderen müssen mitzahlen.

Als Dietrich Mateschitz 2005 den scheintoten Fußballklub Austria Salzburg kaufte und in Red Bull Salzburg verwandelte, schien die segensreiche Wirkung des Kapitals auf den österreichischen Fußball wieder einmal erwiesen. Einige Jahre zuvor war Frank Stronachs Magna bei der – ebenfalls maroden – Austria Wien eingestiegen und hatte sie vor der Blamage bewahrt, wegen Überschuldung keine Lizenz zu erhalten. Tatsächlich verhalf die schlagartig erfolgende erhebliche Ausweitung des Budgets der Austria in den neun Jahren unter Stronachs Gelddusche 2003 und 2006 zu zwei Meistertiteln.

Die Erfolgsquote und der materielle Einsatz unter Mateschitz sind in Salzburg weitaus höher: vier Meistertitel in acht Jahren – falls wie erwartet am Ende des heurigen Bewerbs bloß der zweite Platz hinter der Austria herausschaut.

Gewerkschaft gegen Geldsäcke. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte. Die von Gewerkschaftsboss Wolfgang Katzian (GPA) geführte Wiener Austria ist drauf und dran, die Salzburger Geldsäcke mit ihrem Erzkapitalisten Didi Mateschitz zu düpieren und Meister zu werden. Es wäre der erste Coup der Austria seit dem Abschied des „Big Spender“ Frank Stronach. 2011 schaffte Sturm Graz dieses Kunststück mit einem Personalbudget, das sogar noch wesentlich kleiner als das der Austria war.

Austria-Manager Markus Kraetschmer schätzt, dass der Verein seine Personalkosten ungefähr verdoppeln müsste, um auf Dauer mit den Salzburgern um den Titel konkurrenzieren zu können. Kraetschmer: „Dann hat man ja auch keine Garantie auf den Titel, und es stellt sich die Frage der Finanzierbarkeit. Finanzielle Abenteuer wird es in diesem Verein nicht mehr geben, wir haben unsere Lektion aus den Jahren mit Frank Stronachs Magna als Sponsor gelernt.“

Um den Geldeinsatz und die Effizienz einigermaßen vergleichen zu können, hat „Die Presse“ die Personalbudgets der fünf führenden Klubs der Tipp-3-Liga analysiert – auch wenn manche Vereine unter diesem „Haushaltsbegriff“ die Kampfmannschaft und ihr gesamtes näheres Umfeld wie Betreuer, Zeugwarte, eventuell U21- oder sogar die Amateurmannschaft und andere auch die Verwaltung sowie die Stadionbetreuung subsumieren. Den gesamten Haushalt als Vergleichsgrundlage heranzuziehen wäre problematisch gewesen, da er auch radikal unterschiedliche Posten wie Fixkosten für die Stadionerhaltung oder -Miete und Förderungen enthält.

Der Pflichtweg zum KSV. Seit 2007 sind die Bundesligaklubs verpflichtet, ihre Budgetzahlen beim Kreditschutzverband offenzulegen. Leider sind die Kriterien für die abgegebenen Zahlen noch immer zu wenig präzise. Für künftige Analysen der Kosten und Erträge und eine Evaluierung des Marktpotenzials wäre eine Präzisierung der Offenlegungsvorschriften wohl unverzichtbare Voraussetzung.

Derzeit läuft wie jedes Jahr das Lizenzierungsverfahren der Bundesliga. Der Senat 5 sichtet die von den Vereinen der Bundesliga (beide Leistungsstufen) und der Titel- sowie Aufstiegsanwärter eingereichten Budgetvoranschläge für das Spieljahr 2013/2014. Der Erste-Liga-Verein FC Lustenau ist mangels liquider Mittel gescheitert und mit dem Zwangsabstieg konfrontiert. Alle anderen sind guter Dinge oder tun zumindest so.

Mit wie viel Geld für den Punkt, das Tor oder gar den Titel müssen Bundesligavereine rechnen? Welche Kosten warten auf sie? Inwiefern erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, Meister zu werden, mit den Personalkosten? In der vorliegenden Analyse und den Tabellen (siehe Grafik oben) wurden die „Big Five der Bundesliga“ im Zeitraum 2007–2012 verglichen.
Sturm, Meister der Effizienz. Der Effizienzsieger ist eindeutig Sturm Graz. Wie in der Tabelle ersichtlich, kostete die Steirer jeder Punkt und jedes Tor auf dem Weg zum Meistertitel 2011 110.000 Euro. Das ist ein Schnäppchen.

Vergleichbar viele Punkte und Tore und beinahe so viel Ruhm erhielt der SV Ried 2007, als er Zweiter wurde und pro Punkt bloß 48.000 Euro hinblättern musste. Der kleine Schritt vom Vizemeister zum Meister hat seinen Preis. Salzburg investierte für die Meisterschale pro Punkt nämlich sogar das Zehnfache: 490.000 Euro. Im selben Jahr wurde Rapid übrigens Vierter, der Punkt kostete Grün-Weiß das Vierfache des Rieder Okkasionspreises.

Der von vielen „Experten“ gern zitierte Satz „Geld schießt keine Tore“ ist schlicht eine Torheit. Der Zusammenhang zwischen der Höhe des Mannschaftsbudgets und der Erfolgswahrscheinlichkeit ist evident, obwohl noch so viel Geld den Erfolg trotzdem nicht erzwingen kann. Man muss im Fall der Salzburger allerdings anerkennen, dass kein anderer Klub auch nur annähernd so viele Titel für sein Geld erhalten hat. Mateschitz hat den Wettbewerb in der Bundesliga praktisch gekauft und außer Kraft gesetzt.

Stronach ist das mit der Austria nicht gelungen, und das hängt eventuell mit der Massivität der Mittelzufuhr zusammen. Denn er hat im Vergleich zu Mateschitz den Kickern nur rund halb so viel Geld bewilligt. Beiden gemeinsam ist, dass sie die jeweiligen Vereine definitiv vor dem Ruin gerettet haben. Austria Salzburg und Austria Wien waren unter ihren Präsidenten Rudolf Quehenberger (Salzburg) und Rudolf Streicher (Austria) an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geführt worden.

Beiden Vereinen gemeinsam ist auch, dass sie für viel Geld zwar in Österreich reüssierten, aber den Sprung in den internationalen Wettbewerb – vorwiegend die finanziell überaus lukrative Champions League – nicht geschafft haben. In allen Qualifikationsanläufen war stets Endstation.
Eine Frage der Ideologie? Man könnte daraus schließen, dass Mateschitz konsequenter ist, wenn er eine Sache haben will. Er investiert nicht und hofft dann auf Erfolge, sondern er zahlt, bis alle anderen aufgeben. Der im Sommer eingerittene deutsche Sportchef Ralf Rangnick scheint Mateschitz‘ Ideologie vom ersten Augenblick an verinnerlicht zu haben. In der Sommertransferzeit 2012 kaufte Rangnick eine ganze Mannschaft und einen neuen Trainer zusammen. Und dann kam der „Spitzenklub“ aus Düdelingen…

Wie aus der Grafik ersichtlich, stockten die Salzburger nach dem bitteren Sommer 2011, als sie hinter Sturm Graz nur Zweiter wurden, obwohl sie pro Meisterschaftspunkt das Fünffache und pro Tor sogar das Sechsfache investiert hatten, das Personalbudget von 32,3 Millionen Euro noch einmal um rund zehn Prozent auf. Der Meistertitel mit diesem für österreichische Verhältnisse vollkommen absurden Haushalt war ein sehr teurer Lohn. Jeder einzelne Punkt war letztlich mit 510.000 Euro taxiert.
Die allgemeine Teuerung. Man darf nun getrost davon ausgehen, dass Mateschitz für den deutschen Propheten Rangnick Einkaufsrahmen und Personalkosten noch einmal ausgeweitet hat. Der Schnitt von einer halben Million Euro pro Punkt wird sich damit weiter nach oben verschieben – und dafür kriegt Mateschitz nicht einmal den Meisterteller. Austria rechnete im Vorjahr mit 220.000 Euro pro Punkt. Heuer wird zwar das Budget steigen, der Kostenschnitt pro Punkt letztlich aber kaum.

Immerhin sind die Punkt-Tor-Kostenquoten seit 2007 in Salzburg auf hohem Niveau annähernd konstant. Nur ein Jahr fällt in dieser Bilanz komplett aus dem Rahmen: der Meistertitel 2009 unter Co Adriaanse, dem Nachfolger von Giovanni Trapattoni. Ein Punkt kostete die Kleinigkeit von 430.000 Euro, ein Tor (auch dank des Fleißes von Marc Janko!) gar nur 370.000 Euro.

Es war der einzige Posten seit 2007, der um weniger als 400.000 Euro zu haben war. In der abgelaufenen Saison kostete übrigens jedes der 60 Salzburger Tore 580.000 Euro.

Im unteren Segment der „Big Five“ sind die Aufwendungen im Lauf von fünf Jahren stark gestiegen. Ried kriegt um den Preis von 2007 nur noch einen halben Punkt, im abgelaufenen Spieljahr schaute dafür nur der sechste Platz in der Liga und damit kein internationales Geschäft heraus. Jeder Zähler kostete bereits beinahe 100.000 Euro.

Eine der tatsächlichen Ursachen dieser Kostenexplosion ist die allgemeine Teuerung, ein massiver Grund ist freilich auch Salzburgs Personalpolitik. Mateschitz‘ Freizügigkeit muss nicht nur er bezahlen, sondern auch die Ligakonkurrenten. Sie müssen sich auf einem überhitzten Spieler- und Nachwuchsmarkt bedienen.

Meister 2013
10Runden
vor Saisonende führt Austria Wien mit 13 Punkten Vorsprung auf Salzburg.

23Meistertitel
konnte Austria Wien seit der Gründung 1911 gewinnen. Zuletzt war der Meisterteller 2006 in Favoriten.

2Klubs
Meister und Vizemeister kommen in der Saison 2013/14 in den Genuss, sich in der Qualifikation für die Champions League versuchen zu dürfen.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 31.03.2013)

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