Fußball-Bundesliga-Stereotyp: Zum Saisonauftakt verweigert Vorstand Georg Pangl einen kritischen Blick in die Welt und in die eigene Liga
Die Winterpause ist vorbei und die Bundesliga ist nicht aus ihrer Provinzialität herausgekommen. Vorstand Georg Pangl behauptete in der obligatorischen Saisoneröffnungspressekonferenz, die von Europol aufgedeckten Wettbetrügereien seien ein alter Hut. Pangl: „Das wurde in vielen Ländern schon abgearbeitet und jetzt als Riesen-Wettskandal präsentiert.“ Pangl, ein Gerechtigkeitsfanatiker, der seine Bedeutung und Befugnisse vielleicht ein bisschen überschätzt, fordert: „Wenn es Beweise gibt, dann will ich die so schnell wie möglich haben. Erst dann kann die Bundesliga aktiv werden. Derzeit gibt es für uns keine neuen Erkenntnisse, die uns irgendwie weiterhelfen.“
Pangl verbreitet eventuell Desinformation. Die Europol-Enthüllungen sind nämlich sehr wohl Neugikeiten. Noch nie wurde von mehr als 400 Verdächtigen und beinahe 700 merkwürdigen Matches geredet. Wenn Medien oder gar ein Verantwortlicher wie Pangl behaupten, Europol habe nichts Neues zu erzählen gehabt, dann wiegeln sie ab, und das ist schlecht für den Fußball. Aber leider nicht ungewöhnlich für die österreichische Fußball-Bundesliga, die sich auch bisher im Kampf gegen Wettbetrügereien nicht durch Aktivitäten ausgezeichnet hat.
Vorbildlich ist in diesem Zusammenhang die Berichterstattung des Fan-Magazins ballesterer (http://www.ballesterer.at/aktuell/entscheidend-ist-die-praevention.html). Im Herbst 2012 brachte das Heft (Ausgabe ‚77) einen Schwerpunkt zum Thema. Darin ist unter anderem von Gerichtsurteilen in Deutschland zu lesen, aus denen hervorgeht, dass in Österreichs Bundesliga Spiele geschoben worden sein könnten. Von einer Initiative der österreichischen Verantwortlichen ist freilich nichts bekannt.
Im ballesterer liest sich das so: „Am 29. August 2009 besiegte Red Bull Salzburg den Kapfenberger SV mit 4:0. Für ein deutsches Gericht ist erwiesen, dass das Spiel geschoben war. In einem Urteil des Landgerichts Bochum vom 19. Mai 2011 heißt es dazu: »Im Vorfeld des Spiels hatte der Angeklagte T über den gesondert verfolgten Q2 auf die Spieler der Mannschaft des SV Kapfenberg durch Zahlung von circa 80.000 Euro dahingehend eingewirkt, dass diese das Spiel mit mindestens zwei Toren Unterschied verlieren sollten. Kurz vor dem Spiel, als der Angeklagte auf die Begegnung wetten wollte, waren die Quoten schlecht geworden. Offenbar war die Information, dass das Spiel manipuliert war, durchgesickert.« Dem Urteil zufolge setzte der Angeklagte T dennoch über einen englischen Anbieter 19 einzelne Wetten bei verschiedenen asiatischen Wettbüros auf eine hohe Niederlage der Kapfenberger. Aufgrund der schlechten Quoten habe der Nettogewinn des verurteilten Deutschen bei einem Einsatz von 210.435 Euro lediglich 9.404,09 Euro betragen.“
Wie der britische Aufdeckungsjournalist Declan Hill, der sich unter anderem auf Wettbetrug spezialisiert hat, in seinem Blog schreibt, ist die entscheidende Frage nicht, ob Europol neue oder alte Sachen publizierte, sondern sie lautet: „Ist das wahr?“ Offensichtlich ist an der Geschichte was dran. Sie spielt in 20 Ländern und Österreich ist eines davon. Die Polizei hat ausgezeichnete Arbeit geleistet, aber ihr fehlt die Unterstützung der Fußball-Funktionäre, von der FIFA offensichtlich bis hinunter zur österreichischen Bundesliga.
Übrigens haben die Bundesliga und der ÖFB hinter den Kulissen sehr wohl das Problem aufgegriffen und erste Maßnahmen zu seiner Behebung eingeleitet. Ein 2012 gegründeter und vom ehemaligen Rapid-Präsidenten Günther Kaltenbrunner geleiteter „Verein zur Wahrung der Integrität im Sport“ widmet sich der Prävention. Profikicker, Nachwuchsfußballer und Funktionäre wurden erstmals in den Wintertrainingslagern von diesem Verein mit Informationen und Wissen über die einschlägigen Verführungen und Strafen versorgt.
Lesetipp:
Igbert Löer, Rainer Schäfer: »René Schnitzler. Zockerliga. Ein Fußballprofi packt aus«, Gütersloher Verlagshaus, 2011