Lance Armstrong und Kevin Prince Boateng erzählen zwei Geschichten vom Anstand, der auch in Wien jede Unterstützung besonnener Sportler brauchen könnte
Was ist cooler, Kevin Pronce Boatengs Abtreten von einem Freundschaftsspiel, als ihn rassistische Idioten mit Affengeräuschen verhöhnten? Oder Lance Armstrongs angeblich zu erwartendes Dopinggeständnis? Die NY Times beruft sich nämlich auf Quellen aus der Nähe des Radfahrers, die wissen wollen, dass der 2012 wegen Dopings aller seiner Titel, auch der sieben Siege bei der Tour de France verlustig gegangene und lebenslang von der Teilnahme an Wettkämpfen in olympischen Sportarten ausgeschlossene Armstrong mit dem Gedanken an ein Geständnis spielt. Die Beichte wäre freilich ein Deal, denn Armstrong (41) soll sich dafür der NYT zufolge eine Reduzierung seiner Sperre wünschen. Er will in den Triathlon-Zirkus einsteigen. Und die Regeln der Welt Antidoping Agentur WADA besagen, dass eine Sperre im Fall eines Geständnisses herabgesetzt werden kann.
Offenbar kann Armstrong nicht aufhören. Man darf gespannt sein, ob er in diesem Fall verspricht, nie mehr Blutdoping oder andere verbotene Methoden zu verwenden, die organisiert und angewendet zu haben ihm vorgeworfen wird. Armstrong geht es offenbar um die Reste seiner Karriere. Um die letzten paar hektischen Jahre, die ihm vielleicht noch bleiben und das bisschen Geld, das er noch einsammeln kann.
Kevin Prince Boateng steht mitten im Erwerbsleben eines Profi-Fußballers beim AC Milan. Er hat ein Problem, das er mit einem Wortwechsel nicht los wird. Der zunehmende Rassismus und Rechtsradikalismus in italienischen Fußballstadien lässt sich nicht mit guten Worten vertreiben. Seine schwarze Hautfarbe macht Boateng in den Augen der Dummköpfe zu einem Ärgernis. Als er im Spiel gegen den Unterliga-Klub Pro Patria wieder einmal rassistisch beschimpft wurde, hatte er genug. Er verließ das Feld,die Mannschaftskollegen folgten ihm.
Über Italien schwappte eine Welle der Sympathie und Solidarität mit Boateng. Sogar der Besitzer des AC Milan, Silvio Berlusconi, gratulierte Boateng zu der mutigen Aktion und kündigte an, künftig werde die Mannschaft jedes Spiel verlassen, in dem sie zur Zielscheibe rassistischer Beschimpfungen würden. Im Zweifel sollte man das dem in anderer Hinscht clownesken Berlusconi sogar glauben. Schließlich hat er bisher keine Gelegenheit zum Opportunismus ausgelassen. Der ehemalige Ministerpräsident Italiens wirbt derzeit für die kommende Wahl um jede Stimme und die Anti-Rassisten befinden sich immer noch in der Mehrzahl.
Auf die Idee, gegen die Rassisten und Xenophoben etwas zu unternehmen, kam nicht der steinreiche Besitzer und Politiker, erst als ein Betroffener, ein Mitglied der schwächsten Gruppe in diesem Konflikt, reagierte, hängten sie sich alle an.
Die Wiener, die Anfang März mit der Frage konfrontiert werden, ob sich die Stadt für die Olympischen Sommerspiele 2028 bewerben soll, bekommen ebenfalls gerade eine Hetze vorgeführt. Nach Meinung der FPÖ ist ein Wiener Bezirk, in dem viele Türken leben, besonders gefährlich. Denn ein Türke hat offenbar in der Straßenbahn Frauen vergewaltigt – es gilt die Unschuldsvermutung. Der FPÖ-Bezirksvorsteher ist Polizist und wurde vom Journalisten Florian Klenk wegen Verhetzung angezeigt. SOS Mitmensch unterstützt die Anzeige. Das Gespenst Fremdenfeindlichkeit verbreitet am Beginn des Wahljahrs 2013 wieder Angst in Wien.
Auch in Österreich können Betroffene lange warten, bis Politiker oder Bundesliga-Funktionäre etwas gegen die Beschimpfung von Mitbürgern und Mitmenschen unternehmen. Bis zum dem Tag, an dem Bundesliga-Kicker aus türkischen Familien sich gegen die politische Hetze und gegen pauschalierende Verurteilungen wehren werden indem sie während eines Spiels den Skinheads auf den Rängen und allen anderen Sinnegenossen von HC Strache, Martin Graf und Johann Gudenus zeigen, wo die guten Menschen zuhause sind.