Die Kakapos von der Rathausinsel

Wien kann sich zwar in hundert Jahren keine Olympischen Sommerspiele leisten, aber die Frage danach ist eine durchaus artgerechte Äußerung des Wiener Rathauses

In diesen letzten Märchentagen vor Weihnachten 2012 spielen sich einige Große Erzählungen ab. Da wäre die von den Eurofightern und dem Verlernen der Bereitschaft, sich zu verteidigen. Als Bedrohung wird statt feindlicher Nachbarn, die über den Luftraum in Österreich einfallen könnten, ein launiger, leicht pummeliger älterer Herr empfunden, der rhetorisch eine Verschärfung zum ehemaligen Innenminister Ernst Strasser darstellt. An seiner Gestalt arbeitet sich die Enttäuschung des viele Jahrzehnte vom schmutzigen Geschäft des Kriegführens getrennten Österreichers darüber ab, dass der Skisport allein möglicherweise doch nicht reicht, um Wehrfähigkeit und Neutralität aufrecht zu erhalten.

Der Österreicher lebt, wie der Kakapo auf der Insel Whena Hou, in einer von Feinden völlig freien Umwelt. Der vom Aussterben bedrohte Papageienvogel hat sich das Fliegen abgewöhnt. Manchmal vergisst er seine Fluguntüchtigkeit, klettert auf Bäume klettert und stürzt beim Versuch, sich in die Lüfte zu schwingen, ab.

Die zweite Große Erzählung des Österreichers handelt von der Kommunikation. Der Kakapo auf Whenua Hou hat dank des Mangels an Konkurrenten seinen Balzruf zu einem bassigen Brummen verkommen lassen, das kaum zu orten und zu entziffern ist. Da Kakapokavaliere keine Konkurrenz zu fürchten haben, können sie brummen was sie wollen, irgendwann werden sie unweigerlich gehört.

Assoziationen mit einer sorgenfreien Wiener Rathaus-Spezies sind an dieser Stelle nicht mehr zu unterdrücken. Diese rotgefiederte politische Vogelart begann in der Zeit des bassigen Helmut Zilk die Stadt mit Fortbewegungsmitteln auszurüsten. Der Bewegungsraum wurde zugunsten des Bequemlichkeitsraumes jedoch krass vernachlässigt. Jetzt hockt der Wiener Kakapo oben auf dem Baum und will fliegen und kann nicht.

Wo hätte er es auch lernen sollen? Seit das Stadtallenbad mit dem einzigen 50-Meter-Becken der Stadt saniert wird, ist Wien für Spitzenschwimmer Tabu. Auch für die meisten anderen Sportarten finden sich keine Trainingsgelegenheiten oder Veranstaltungssäle, die dem Hochleistungssport gerecht werden würden. Die Wiener Stadtverwaltung hat hunderte Millionen Euro in drei Fußballstadien (Happel-, Hanappi-, Horr-Stadion) gepumpt, die nach internationalen Kriterien ein schlechter Scherz sind.

Aber Spektakelsport dient seit Beginn der Olympischen Spiele als wunderbare Ablenkung von den Sorgen des Alltags. Was macht der rote Rathaus-Kakapo in so einer Situation? Er brummt: Sollen wir Olympische Sommerspiele machen? Das ist natürlich insofern keine Frage,  als sie nicht beantwortet zu werden braucht. Das würde ein Kakapo auch nie erwarten. Er ist damit zufrieden, dass er brummen darf und irgendwer irgendwie reagiert. Falls Antworten eintreffen, kann er sie, falls er sie hört, vergessen. Falls er nicht darauf vergisst.

Als Douglas Adams („The Hitchhikers Guide To The Galaxy“) mit dem Zoologen Mark Carwardine den Kakapo und andere bedrohte Arten besuchte und beschrieb („Last Chance to See“), fürchtete er um deren Zukunft. Wiens Kakapos sind sicher. Sie haben einen Mutationssprung erlebt,  Nachwuchs steht ins Haus. Der grüne Kakapo macht sich auf der Rathausinsel breit. Für den roten Artgenossen ist er übrigens völlig harmlos.

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Eine Antwort zu Die Kakapos von der Rathausinsel

  1. werner raabe schreibt:

    ja, aber das wird jetzt nach der schiweltmeisterschaft alles anders. wien wird sich um olympische spiele (sommer oder winter) bewerben, also alle notwendigen sportstätten bauen und natürlich auch erkennen, dass dazu eine nenneswerte sport(lerInnen)förderung kommen muß.
    wien wird damit, zur ohnehin schon seit jahrzehnten behaupteten, vorzeigemustersportstadt und wien wird heimat großer olympiasiegerInnen werden.
    in wien werden die zu 99% ehrenamtlich tätigen sportvereinsvertreter (auch funktionäre genannt) anerkennung finden und für ihre gesellschaftlichen leistungen geehrt werden. wien wird die große bedeutung des sportvereins (sozialisierung durch und mit dem sport) unterstützen und wien wird als erstes österreichisches bundesland die qualität der integration durch sport erkennen und anwenden.
    in 10 jahren werden die ersten studien aufzeigen, dass die wiener kinder sich mehr bewegen, daher gesünder sind, sozial verträglicher und auch im unterricht aufnahmefähiger sind. die wiener vereine werden die national staatsmeisterlisten anführen und international erfolgreich werbung für wien/österreich machen. der tourismus wird dadurch profitieren und es wird wien sport reisen geben.

    oder es wird nach dieser schiweltmeisterschaft neben der täglichen turnstunde auch noch die forderung nach einem monatlichen schikurs geben. unterschrieben wird die forderung von allen 183 abg.z.nr. werden. nachdem diese forderungen vom österreichischen gesetzgeber gestellt werden ist davon auszugehen, dass er auch die dafür notwendige gesetzesmaschinerie anwerfen wird. wer sollte ihn daran hindern können?
    und dann – siehe oben….

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