Die BSO-Kampagne für die tägliche Turnstunde verfolgt zweifellos ein ehrbares Anliegen. Die Teufeleien lauern in den Details
In Österreich läuft seit mehr als zwei Monaten eine Unterschriftenaktion der Bundessport Organisation für die Einführung der täglichen Turnstunde (www.turnstunde-at). Online und in den 14.500 Vereinen der BSO wurden bis Samstag Nachmittag 72.000 Unterschriften gesammelt. Nebbich.
Um nicht wieder missverstanden zu werden: Es handelt sich um ein nur allzu berechtigtes Ziel.
Man kann es nicht oft genug wiederholen: Hätte das ÖOC nicht ein Null-Medaillen-Ergebnis bei den Olympischen Sommerspielen in London abgeliefert, wäre wahrscheinlich gar nichts passiert. Eine fast identische Initiative der ÖVP vor einem Jahr („Symposion Schule und Sport“) ergab genau gar keine Folgen.
Erst die Sommerspiele brachten das Thema vor die Schwelle der Frau Bildungsminister Claudia Schmied. Sie stellte betrüblicherweise fest, die Schule sei nicht für die Erzeugung von Olympiasiegern zuständig. Das ist allein schon ein grobes Missverständnis, denn der Olympiasieg ist nur die letzte Station einer langen Reise. Sie beginnt im dritten, vierten oder fünften Lebensjahr und jemand muss das Kind in diesem Alter in Bewegung setzen. Kindergärtnerinnen, Eltern, Lehrer, Freunde, Trainer, Vorbilder.
Wie die BSO sich lange Jahre nicht gerade für die tägliche Turnstunde zerrissen hat, so schweigen auch die Lehrer für „Bewegung und Sport“. Sie wissen, dass die tägliche Turnstunde in der Ganztagsschule in vielen Schulen an der Raumnot scheitern würde. Außerdem sollte man hinterfragen, ob in der Ganztagsschule die tägliche Bewegungseinheit erst am Nachmittag stattfindet? Wenn die Kinder nach fünf, sechs, sieben Stunden Sitzunterricht komplett maroni sind? Schmied hat mit der täglichen Bewegungseinheit freilich ein plausibles Argument in Griffweite, um den politischen Gegner von der Ganztagsschule zu überzeugen.
Doch welche Folgen würde das Outsourcen von schulischen Sporteinheiten an Vereine und deren Trainer zeitigen? Ist der Sportunterricht nämlich einmal ausgelagert, wird ihn keine Bildungsreform mehr in die Kompetenz der Schulbehörde zurückholen. Die Befürworter der schulischen Bewegungsanreize riskieren bei allem Respekt vor ihrem Anliegen, den Sportunterricht zu einem Fach zweiter Klasse zu machen. Kann das dem Ministerium oder den Turnlehrern recht sein?
Vereinstrainer, an die Arbeit mit Begabten und Willigen gewöhnt und auch dafür ausgebildet, sind außerdem nicht quasi automatisch auch für den Unterricht mit Übergewichtigen, Patscherten und Unwilligen qualifiziert. Auch wenn sie das vielleicht glauben machen.
Nur so nebenbei muss auch einmal erwähnt werden, dass viele Schulen die tägliche Turnstunde bereits praktizieren. Von diversen Schulformen mit sportlichem Schwerpunkt über Ergometerklassen (Schüler radeln während des Unterrichts) ganz zu schweigen.
Die Zusammenarbeit von Vereinen und Schulen läuft seit zwei Jahren, dank einer Rahmenvereinbarung von Bildungsministerium, Sportministerium und BSO. Doch die in diese Kooperation gesetzten Heilserwartungen könnten sich als voreilig herausstellen. Ein Rundruf in vier von neun Landes- und Stadtschulräten ergab, dass besagte Kooperation kaum fünf Prozent des Bedarfs deckt. Aus Raummangel, Desinteresse oder, siehe oben, mangels qualifizierter Trainer.
Die BSO und die in ihr organisierten Dachverbände ASKÖ, SPORTUNION und ASVÖ können den schulischen Dienstleistungsjob freilich gut brauchen. Er wäre ein unwiderlegbares Argument für künftige Fördermittelfluten.
es ist halt traurig, wenn spitzenpolitikerinnen unter „körperkultur“ maximal den besuch beim friseur und in massageinstituten kennengelernt haben.
auch DAS ist eine spätfolge des „gesunden geist vom gesunden körper TRENNENDE“ schulsystem.
selbst im spitzensport wird heute schon der UMGEKEHRTE weg beschritten: unser guter Mayer hatte während seines koordinationstrainigs mathematik-aufgaben auf dem bildschirm zu lösen….