Pep Guardiola und seine Mannschaft sind der Gegenentwurf zum zynischen Sportbusiness. Wenn die UEFA auf der Ukraine als EURO-Standort besteht, muss sie zumindest darüber reden.
Josep Guardiola i Sala hat vier Jahre lang die frohe Botschaft des FC Barcelona mitgeschrieben, nun ist er müde. Die Last des schönen Spiels und der Leichtigkeit drückt nach drei Meistertiteln in Folge und den Siegen in der Champions League 2009 und 2011 zu schwer. Jetzt Pause, bevor die EURO 2012 in Polen und der Ukraine losgeht.
Nach den Regeln des Fußball-Business dürfte es Barcelonas Erfolg gar nicht geben. Ein Verein, der von den Fans, der Stadt und der Region Katalonien als Mahnmal und Versammlungsort der Freiheit und Unabhängigkeit geschätzt wird, und diese Ansprüche mit Eleganz und Witz einlöst, ist der Gegenentwurf zum sturen, umsatzgierigen UEFA- und FIFA-Betrieb. Barcelona, seine Präsidenten und Spieler, bekannten sich seit dem Tag der Gründung durch den Schweizer Hans „Juan“ Gamper stets auch zu einer liberalen, diskursintensiven Form der Teilnahme am öffentlichen Leben. Manchmal war die Bindung zu lokalen politischen Bestrebungen zu eng, zeitweise wurde sie loser gehandhabt, abgerissen ist sie nie.
Guardiola ist ein Kind dieses Klubs und dieser Lebenseinstellung, er spielte im „Dreamteam“, das 1992 den Meistercup gewann. Der aktuelle Sportdirektor Barcelonas, Andoni Zubizarreta, stand im Tor. Der Holländer Johan Cruyff hatte die Mannschaft aufgebaut, er gilt als der Gründungsheilige dieser speziellen Weiterentwicklung des Kurzpassspiels und Guardiola war einer seiner Musterschüler.Wenn Spaniens Nationalelf als Titelverteidiger zur EURO fährt, ist das zum überwiegenden Teil Barcelonas Verdienst, die Spielweise und die Mehrzahl der Spieler verdankt sie dem katalonischen Verein. So wird Spaniens Team dort als Kontrastprogramm zum normalen Umgang von UEFA/FIFA mit totalitären Regiems auftreten. Denn der internationale Event-Sport weist eine lange Geschichte der Kohabitation mit Diktatoren auf. Brasiliens menschenschindendes Militärregime missbrauchte die Strahlkraft Peles, sehr gegen seinen Willen. FIFA-Präsident Joao Havelange, der die WM ins Argentinien des Dktators Videla brachte, war ein Kollaborateur der Militärs. Der moderne Olympismus verdankt seine Finanzkraft dem Präsidenten Juan Antonio Samaranch, einem Günstling des spanischen Faschisten Franco. Samaranch soll 1980 mit den Stimmen des Ostblocks zum IOC-Präsidenten gewählt worden sein.
Die Ukraine (neben Polen) als Austragungsort für die EURO 2012 zu wählen ist also nicht außergewöhnlich. Was freilich gar nicht mehr geht, ist der Verweis auf den „unpolitischen Sport“ und die gleichzeitige Ignoranz und Diskursverweigerung über die Werte und Regeln eben dieses Sports. Falls Platini ersthaft meint, 2007, zum Zeitpunkt der EURO-Vergabe, sei in der Ukraine alles in Ordnung gewesen, ist er ahnungslos und untragbar. Wenn er das wider besseres Wissen behautet, ist er ein untragbarer Zyniker.
Barcelona lebt die Verbindung von Sport und Politik, von Ehrgeiz und Respekt vor den Werten der Mitmenschlichkeit, und der Klub lebt nicht schlecht damit. Wenn Formel 1-Machthaber Bernie Ecclestone, IOC-Präsident Jacques Rogge, FIFA-Präsident Sepp Blatter oder Platini so tun, als hätten sie mit der Welt nichts zu tun, die sie zahlt und den Sport für ihre Propagandazwecke einsetzt, vergeben sie die eine, große Chance, die der Sport und seine Events bieten: Öffentliche Rede. Olympische Spiele, EURO und FIFA-WM heben Misstände von Bahrain bis zur Ukraine in die Schlagzeilen. Wenn ausgerechnet Funktionäre und Sportler das Gespräch darüber verweigern, tun sie nichts anders als die drei Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts reden.