Lehrbubenkorruption

„Es gab zwei Schmiergeldlinien“, sagt Peter Pilz.

Über die Agenturen Schmied und Haslinger seien insgesamt rund 960.000 € von der Telekom an das BZÖ und BZÖ-Politiker geflossen, so der Grüne. Nach drei Tagen von Zeugenbefragungen im parlamentarischen Untersuchungsausschuss ist Pilz nicht nur überrascht, er klingt sogar ein wenig verwundert. Und zwar über das Niveau der Schmiere. „Es ist dem BZÖ entsprechend“, meint Pilz. „Ich habe noch nie so eine primitive Grundkonstruktion von Schmiergeldzahlungen erlebt“, sagt er. „Das ist Lehrbubenkorruption. Sie sind nicht einmal beim Schmiergeld gut, sogar dort sind sie Dilettanten.“

Das Prinzip hat Pilz im Ausschuss mehrfach zur Sprache gebracht: „Erst Geld, dann Leistung.“ Eine interessante, wenn auch nicht sonderlich originelle Variante zur bekannten „Wos woa mei Leistung“-Inszenierung.

Die Neuschreibung der Universaldienstverordnung (UDV) im Jahr 2006 ist das Thema der „Geld – Leistung“-Chronologie. Die UDV-Novelle kam über die Initiative der TA zustande und sollte ihr einen (2006 geschätzten) Mehrwert von zehn Mio € bringen. Weil das Telephonieren mit Telefonwertkarten der TA-Konkurrenten aus den TA-Telefonhüttln über den Umweg der 0800-, 0810- und 0820-Nummern in andere als TA-Netze nicht mehr gratis sein sollte. Peter Hocheggers Lobbying sollte diese Novellierung ermöglichen. Obwohl die Novelle allen – außer den TA-Konkurrenten – ohnehin einleuchtete.

Also wozu das ganze sauteure Lobbying?

Weil in der Beschuldigteneinvernahme des ehemaligen Finanzvorstandes der TA, Gernot Schieszler steht, dass die „Nebenkosten“ der Novellierung mit rund einer Million angegeben wurden. Für diese Summe legen auch andere polizeilichen Einvernahmen außer  der von Schieszler einen Verdacht nahe, habe sich die TA eine in der Branche und in der Politik eher unumstrittene UDV-Novellierung „erkauft“.

Dient Lobbying – manchmal – nicht der Beeinflussung der Politik durch die Wirtschaft, sondern der Beeinflussung der Wirtschaft durch die Politik?

Die Aussage des Mitarbeiters von Peter Hochegger, Günther Perger, vor dem U-Ausschuss habe endgültig gezeigt, wie das Spiel mit den Scheinverträgen gelaufen sei, so Pilz. „Durch die Aussage von Georg Serentschy wissen wir auch, wann der erste Kontakt stattgefunden hat, nämlich im Februar 2006“, sagt Pilz. Serentschy leitet seit 2002 die Telekommunikationsgesellschaft RTR. Er ritt auf einem Ticket der FPÖ, nämlich des zuständigen Verkehrsministers Mathias Reichhold, dort ein. „Die Affäre ist bis auf Restfragen geklärt“, sagt Pilz. „Ich hätte mir das nie erwartet.“ Am 2. Februar resümierte Pilz die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses und die Vorbereitungen der Vorsitzenden Gabriela Moser und von ihm selber auf seine typisch zurückhaltende Weise. Die Kunden der Telekom Austria haben „den Wahlkampf von Schmuddelparteien gezahlt“, so Pilz laut APA. Er sieht „ganz klar, wie das gelaufen ist, ich arbeite an der schriftlichen Darstellung.“

Selbst er muss freilich einräumen, dass die „erst Geld, dann Leistung“-Chronologie nicht immer restlos nachzuvollziehen sei. Pilz: „Die Zahlungen an Gorbachs Sekretärin Gabriele Kröll-Maier können auch mit anderen Dingen als der Universaldienstverordnung zusammen hängen. Andere Tätigkeiten des Ministers Gorbach. Oder eine Treueprämie, ausbezahlt nach Gorbachs Abschied aus der Politik.“

Bei Schmiergeldsystemen müsse man verstehen, dass sie nicht zwangsläufig einem bestimmten Zweck dienen, manchmal ermöglichen und erhalten sie auch ein System von Abhängigkeiten. An diesem Punkt verweist Pilz auf die sogenannte „Tetron“-Affäre, die den ehemaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) und wieder die Telekom, sowie Motorola und Alcatel betrifft und ebenfalls Thema des Untersuchungsausschusses sein wird. Dabei geht es um das Mobilfunknetz der Polizei. Den Auftrag hatte 2002 bereits ein Konsortium von Siemens, Raiffeisen und Wiener Stadtwerke erhalten, doch plötzlich, ohne ersichtlichen Grund und Anlass wurde die Plattform „Tetron“ beauftragt.

Ein armer Irrer, wer Journalismus betreibt. Außer als Verleger einer Zeitung mit seriellen Regierungsinseraten, mit der Raiffeisenbank, der SPÖ Wien und der Familie Dichand in der Hinterhand. Die Kohle und die Wahrheit liegen in der Kommunikation. In der Wahrung von Interessen. Am 1. Februar offenbarte sich diese Tatsache wieder einmal im Parlament, dem hohen Haus der Interessen. Vom ÖVP-Fraktionsführer im Korruptions-Untersuchungsausschuss, Werner Amon, gefragt, „in welchem Volumen Ihrer Meinung nach Peter Hochegger von der Telekom jährlich honoriert wurde“, antwortete der ehemalige TA-Vorstand für Technik und Festnetz, Rudolf Fischer: „Ich glaube, ab dem Zeitraum 2001 bis 2008 35 Millionen €.“ Auf das Festnetz, also „seine Sparte“, seien rund 25 Millionen € entfallen, schätzt Fischer. Das waren im besagten Zeitraum 0,15 Prozent des Unternehmensumsatzes, verwendet nach der Logik des Vorstands „zur Wahrung unserer Interessen des Unternehmens“.

Daraus ergeben sich (mindestens) zwei Fragen: Hat sich Peter Hochegger an der Telekom Austria (TA) deppert verdient? Oder hat er das Geld für Arbeit und Wohlwollen Dritter verwendet? Es ist ungefähr so wahrscheinlich, dass beides stimmt, als die Sonne morgen wieder im Osten aufgehen dürfte.

Was sind also „unsere Interessen des Unternehmens“? Was immer sie waren, es war ausreichend Geld vorhanden, ihre Wahrung zu finanzieren. Seit ich den Untersuchungsausschuss und die gemütliche Atmosphäre genieße, in der die ärgsten Löcher der Republik ausgeleuchtet werden, hängt so ein Bedauern über mancher Fraktion, dass die „Interessen“ durch patscherte Typen wie Gorbach ans Tageslicht gezerrt werden. ÖVP-Fraktionsführer Werner Amon ist, wie schon mehrfach dargestellt, wahrscheinlich die ärmste Sau im Saal, er seziert immerhin den ehemaligen Koalitionspartner. Höllisch aufpassen muss er, dass er den Eigenen nicht zu nahe tritt und wahrscheinlich weiss er bei der Kakophonie an „Interessen“ innerhalb der ÖVP und ihren „Interessensverbänden“ manchmal selber nicht so genau, wo er hinfragen und hinschauen und hinglauben soll. Amon hat die heikle Aufgabe bisher mit Bravour gemeistert. Pilz zollt Respekt: „Amon ist im Vergleich zur Maria Fekter eine Lichtgestalt.“ Die Zusammenarbeit SPÖ-ÖVP-Grüne laufe bisher einwandfrei.

Allerdings muss er zugeben. Pilz: „Die ÖVP ist die einzige gut ausgebildete Korruptionspartei der Republik.“ Sie hatte ausreichend Zeit, das Handwerk zu lernen, so Pilz. Sie oder Teile von ihr oder Interessensverbände in ihr hatten seit dem Ende der schwarz-blauen Koalition und vielleicht bereits während ihres Geweses Zeit genug, Reue über diese Verbindung oder zumindest über die patscherte Gestion des Partners oder wenigstens über die „Interessen“, die zu der Verbindung führten, zu üben.

Im Fall der TA und ihres angeblichen Novellen-Kaufs sei sie allerdings nicht eingebunden gewesen, meint Pilz. Sonst hätte sich nicht der Staatssekretär Kukacka (VP) oder einer seiner Kabinettsmitglieder im Gorbach (BZÖ)-Ministerium erkundigt, was da im Gange sei, als vor und hinter den Kulissen schon die Schmiere lief.

Stefan Petzner hat indes längst bewiesen, dass an der Sache überhaupt nichts dran ist. Er fragt den TA-Vorstand Fischer, ob er jemals jemandem Geld für eine Novelle angeboten habe oder was davon wisse und Fischer sagt nein. Fischer sagt auch, dass die TA nicht alle ihre Wpnsche von Gorbach erfüllt bekommen habe. Und Petzner wendet sich mit strahlendem Gesicht an die „Medienvertreter“ und „den Herrn rechts von mir“ (Pilz), was eine rein sitzordnungstechnische und keine politisch-ideologische Richtungsangabe ist, und sagt: „Das Konstrukt des Herrn Pilz fällt zusammen.“

Dasselbe Spiel wiederholt er mit Gorbach: So einfach geht das. Du fragst einen Beschuldigten, ob er was angestellt hat, und wenn er sagt „Aber wo!“ ist bewiesen, dass er nichts angestellt hat. Mit dem Petzner-Prinzip könnte man dem Land viel Geld und dem U-Ausschuss viele Sitzungen ersparen.

Pilz: „Petzner macht derzeit Kamikaze mit dreifachem Salto. Ich würde an seiner Stelle flüchten. Aus dem BZÖ und aus dem Land.“

Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

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