Hubert beinhart

Hubert Gorbach sieht fit aus und konzentriert drein, als er mit seinem Anwalt Herbert Eichenseder das Lokal VI betritt.

Es ist Mittwoch Mittag, in der vergangenen halben Stunde haben sich die Journalisten Weckerln und Semmeln, Tortenecken und Schnitten besorgt. Denn die Befragung geht ohne Unterbrechung weiter und kein Berichterstatter will einen Unterzucker riskieren und Einzelheiten versäumen, wenn Hubert Gorbach in die Mangel genommen wird. Der Ex-Vizekanzler durfte in den vergangenen Monaten so gründlich im Medienkaokao baden, dass er bis auf weiteres ein Quoten- und Auflagenselbstläufer ist. Die Mechanik der öffentlichen Wirkungserzeugnis ist beim Untersuchungsausschuss also von der eines Zirkus nicht so wahnsinnig verschieden. Es geht um die spektakulären Tiere. Die in der Luft liegende Sensation hat die Stars der Aufdeckerszene hergelockt, sie vertreiben sich die Wartezeit mit ihren iPads, schlichten die Akten, die der Ausschus gern hätte und pflegen Kontakte mittels lautlos gestelltem iPhone. Schließlich muss man ja dem Parlament immer einen Schritt voraus sein.
Am dritten Tag des Untersuchungsausschusses zum Korruptionsunterthema „Konnte sich 2006 die verstaatlichteTelekom Austria eine Novellierung der Universaldienstordnung kaufen?“ hat ein wenig Klarheit in die Sache gebracht. Allerdings gehen die Meinungen, worin die Klarheit besteht, ein wenig auseinander. Stefan Petzner meint: „Nein.“ Peter Pilz sagt: „Ja.“
Hubert Gorbach nützt die Gelegenheit, in einem klaren Statement hauptsächlich Nebensächlichkeiten, die längst klar sind, klarzustellen. Die Novellierung der Universaldienstverordnung (UDV) war „sinnvoll, zweckmäßig und EU-konform“. Sagt Gorbach klar und deutlich.
Stefan Petzner verlässt zum 17. Mal an diesem Vormittag den Saal und nützt die Gelegenheit, mit strahlendem Lächeln einem Starjournalisten auf die Schulter zu klopfen. Der abgebrühte Medienprofi zuckt fast gar nicht zusammen.
Die Rollenverteilung im Saal ist längst klar. Peter Pilz (Grüne) spielt den Inquisitor, der mit unbewegter Miene Steinchen für Steinchen eines Mosaiks zusammenfügt, das nach seiner Auffassung eine Schmiergeldaffäre zeigt. Ein Teil der oft und oft in Zeitungen kolportierten Ansicht stellt den Vorzugsstimmenwahlkampf für die Nationalratswahl 2006 der amtierenden Justizministerin Karin Gastinger dar. 240.000 € sollen von der Telekom Austria über offenbar als sinnvoll erachtete Umwege ins BZÖ gelangt sein. Die Kleinpartei muss ziemlich flach gewesen sein, denn in mehreren Medien wurden bis heute vom BZÖ unwidersprochene Jubelmeldungen gedruckt, wonach Gorbach, der damalige Vizekanzler, „Geld aufgestellt habe“. Von „500.000 € von der Telekom“ war laut Pilz im Format zu lesen.
Was Pilz am Ende der Sitzung zu der öffentlichen Stellungnahme hinreißt, die Kunden der Telekom hätten den „Wahlkampf von Schmuddelparteien gezahlt“. Da war Hubert Gorbach längst aus dem Haus. Er konnte Pilz‘ Zusammenfassung nicht mehr hören, und selbst wenn er sie gehört hätte, würde das nichts an seiner knallharten Haltung geändert haben. Denn Schmuddelparteimitglied ist er längst ncht mehr. Im Herbst 2011 haben sie ihn aus dem BZÖ rausgeworfen.
„Ich hatte mit dem Wahlkampf 2006 nichts mehr zu tun“, sagt er mehrmals während seiner Befragung. Er hat damals zu diesem Zeitpunkt innerlich und äußerlich bereits von der Politik Abschied genommen, um wieder „in der Privatwirtschaft“ tätig zu werden. Er wird von mehreren Seiten auf die von Peter Hocheggers Agentur Valora abgewickelten Zahlungen angesprochen, die jeweils eine handschriftliche Notiz „Telekom“ tragen. Seine ehemalige Sekretärin Gabriele Kröll-Maier hat in ihrer Einvernahme vor der Polizei die Zahlungen geschildert, einen Teil habe sie sich selber behalten, den großen Rest habe Gorbach auf seinem Konto und seinem Sparbuch lukriert. Gorbach sagt dazu nichts. Er verweist auf das laufende Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft und will seine Rechte als Beschuldigter nicht durch eine Aussage als Zeuge mindern.
Stefan Petzner kommt wieder einmal vom Frischluftschnappen zurück in den Saal und begrüßt eine Starjournalistin mit einem Klaps auf den Oberarm und verschwörerischem Lächeln. Die Dame nickt höflich.
Gorbach wird zum Zusammenhang zwischen der UDV-Novelle und Zahlungen der Telekom an ihn befragt, die nach seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt angeblich getätigt wurden. „Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Zahlungen von „irgendwem an meine Sekretärin und der Universaldienstverordnung“, sagt Gorbach. Im übrigen verweist er auf das Ermittlungsverfahren und seine Rechte als Beschuldigter, die er und so weiter.
Ist auf Gorbachs Konto Geld eingegangen? Gorbach verweist auf das Ermittlungsverfahren und so weiter.
Warum er nie für die Telekom tätig wurde, nachdem er die Politik verlassen hatte, wird Gorbach gefragt. Der volksnahe Tribun aus Vorarlberg, der lange „auf der anderen Seite gesessen ist“ und daher die Bedürfnisse der Menschen aus nächster Nähe kennt, verweist bescheiden darauf, dass das „keine gute Optik ergeben hätte“, wenn der für Telekommunikation zuständige Minister anschließend für die Telekom werkt.
Man wird offenbar auch als vorarlberger Politiker reifer. Gorbach verkaufte 2005 als zuständiger Verkehrsminister die Bodenseeschiffahrt an das Unternehmen Klaus. Ziemlich billig, wie damals viele kritisierten. Bald nach seinem politischen Abschied wurde er Geschäftsführer des Unternehmens Klaus. Allerdings nur für einige wenige Monate. Vielleicht hatte auch das Unternehmen Klaus dazugelernt.
Petzner macht seinem ehemaligen Parteikollegen Gorbach auch frageähnliche Avancen. Und er sorgt wieder einmal für Klarheit. Nein, sagt Gorbach auf Petzners Erkundigung, ob die Telekom all ihre Wünsche bei der Novellierung der UDV durchgebracht habe. Den Wunsch, auch Telefonate über die Nummer 0900 kostenpflichtig zu machen, hatte ihr Gorbach abgedreht.
Nein antwortet Gorbach zwischen zwei Erinnerungslücken auf Petzners Interesse, ob es eine Ministerweisung von ihm gegeben habe, die Novellierung auf Wunsch und nach dem Vorschlag der Telekom durchzuführen. Tatsächlich ist bis jetzt keine schriftliche Weisung aufgetaucht. Aber Kabinettschef Rüdiger Schender hatte den Beamten des Ministeriums einen entsprechenden Auftrag erteilt. Und mehrere Zeugen bestätigten, dass ein Kabinettschef zwar selber keine Weisungen erteilen aber „in der Praxis“ für den Minister und dessen Willen sprechen könne.
Petzner reisst also das „Konstrukt“ des Peter Pilz mit dem Schmiergeld für das BZÖ ein und verlässt triumphierend den Saal. Nicht ohne einen ihm persönlich bekannten Journalisten strahlend zu begrüßen.
So läuft das mit der Wahrheitsfindung. Der BZÖ-Fraktionsführer im Ausschuss, Petzner, fragt den Zeugen Gorbach, Ex-BZÖ, ob es da einen Zusammenhang gäbe zwischen UDV-Novelle und Zahlungen der Telekom an Gorbachs Sekretärin oder die BZÖ-Ministerin Gastinger oder das BZÖ insgesamt gebe? Gorbach „hat keine Wahrnehmung“ oder sagt „nein“. Und das war’s.
Also was soll das Getue?
Gorbach, das muss ihm der Neid lassen, hat sich tadellos gehalten. Beinhart hat er alle heiklen Fragen mit dem Hinweis auf die parallele Ermittlung der Staatsanwaltschaft abgeblockt. Die gemütliche Stimmung wird nur kurz getrübt, als Petzner mit einer neuen Unterlage, dem Prüfbericht von 2010 der Ministerin Dores Bures über die UDV-Novelle wedelt und die ÖVP-Fraktion feststellt, dass sie das Papier nicht hat. Die Journalisten müssen aus dem Saal, damit die kleinlichen Parlamentsgockeln die Geschäftsordnung, die noch immer heiliger und geheimer und wichtiger als der Kampf um die Demokratie ist, ausstreiten können.
Das Detail mit Laura Rudas und der von ihr gefertigten und von der Telekom bezahlten Studie geht vor lauter „keine Wahrnehmung“ und Verweisen auf das „Beschuldigtenverfahren“ unter. Der inzwischen pensionierte Festnetz-Vorstand der TA, Rudolf Fischer, war vom FPÖ-Fraktionsführer Werner Rosenkranz mit Rudas‘ Werk konfrontiert worden. „Vorher war noch ausgemacht, dass er das bestätigt. Um zu zeigen, dass alle was gekriegt haben“, sagt ein Mitglied des Ausschusses. Warum Fischer davor zurückschreckte („mir nicht bekannt“), wäre einen Ausschuss wert.
Doch bevor es dazu kam, näherten sich Gorbach dazwischen und die Heerschar seiner fehlenden Wahrnehmungen.
Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

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