Fritz Baumrock, der letzte der großen Skilehrplanpäpste, ist tot

Fritz Baumrock   19.11. 1931 – 28. 08. 2019

 Ein Nachruf von Arno Klien

Ein ambitionierter Pädagoge, ein tiefgründiger, nachhaltiger, unbequemer Biomechaniker mit ausgeprägtem Sicherheitsdenken.

Kompromisslos, sachlich, konsequent, beharrlich in den Diskussionen, wobei er sich aber mit fachlich korrekten Argumenten durchaus auseinandersetzen konnte.

Allein seine Schulzeit war bedingt durch die Kriegswirren außergewöhnlich: er begann die Volksschule in einer einklassigen Landschule in Oynhausen, danach besuchte er eine zweiklassige Schule in Heiligenkreuz; es folgten der Besuch der Oberschulen in Melk, Wien 10 und ab 1945 in Baden bei Wien.

Die Matura legte er 1950 in der Bundesrealschule Wien 1, Schottenbastei ab. Im selben Jahr inskribierte er an der Universität Wien die Fächer Mathematik und Leibesübungen, die er 1955 mit der Lehramtsprüfung abschloss.

Mit dem Ablegen der Staatlichen Skilehrerprüfung 1953 begann sein Wirken im Bereich Schilauf, wobei seine fachlichen Verdienste durch eine Vielzahl von Publikationen speziell auf der theoretischen Seite inklusive des Schilehrwesens von besonderer Bedeutung wurden.

Er wird als Lehrer an der Pädagogischen Akademie zu einer Leitfigur der Lehreraus- und -fortbildung. In seiner Schitheorie weist er immer wieder auf seiner Meinung nach nicht beachteten biomechanischen Bedingungen des Schilaufs hin. Trotz aller Gegensätze erlangt er bei seinen Ideen zu einem Schilehrplan schließlich doch auch die Zustimmung von Stefan Kruckenhauser. Durch seine klaren sprachlichen und fachlich fundierten Formulierungen war er ein allseits begehrter Referent und Experte bei internationalen Kongressen, Schikolloquien und Seminaren, sowie als Mitwirkender im INTERTERM.

Ein Musterbeispiel für die genaue Analyse von scheinbar „biomechanischen“ Begründungen ist nachzulesen bei:

http://www.horst-tiwald.de/zdarsky/download/baumrock-scheinbegruendungen.pdf

Baumrock war ein Nonkonformist mit Unterhaltungsqualitäten als Bauchredner, der zwar streng – aber unter seinen Studenten beliebt war.

Sein Wirken im Schilauf in der Schule bescherte uns 3 Lehrpläne ab 1976, die immer noch Gültigkeit haben. Gemeinsam mit der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) erschienen unter seiner Federführung neben dem Skilauf auch Broschüren für andere Sportarten unter dem Motto „Was ist wichtig – was ist richtig“. Diese Broschüren und Plakate beschäftigten sich mit der Sicherheit bei der jeweiligen Sportausübung.

Sein erstes Buch „Schilauf – Der Weg zur Fahrweise der Spitzenklasse“ (1959) wurde 1963 ins Japanische übersetzt und kam im Winter 1963/64 zum Einsatz, als Fritz mit vier ostösterreichischen Studenten (Klien, May, Otepka G. und Tscherne) als Schilehrer und Schischulleiter nach Japan eingeladen wurde. Erwähnt sei dazu eine Kuriosität – da er für den Winter von der Schule nicht frei bekam, konnte er nur während der Weihnachtsferien nach Japan reisen. Es durfte anscheinend aus der Sicht des damaligen „offiziellen Schilehrerwesens in Österreich“ nicht sein, dass neben dem Westen auch der Schi-Osten Österreichs im Ausland gefragt war, obwohl Repräsentanten wie Zdarsky, Lerch, Zehetmayer & Co diese Fehleinschätzung davor schon mehrfach widerlegt hatten.

Arno Klien,

Hollabrunn, am 1.9.2019

Die Geschichte des Sports ist in Österreich ein unterbelichtetes Thema. Periodika interessieren sich überhaupt nicht mehr dafür, auch wenn Sportjournalisten in ihrer sprachlichen Hilflosigkeit unzählige Mal die Phrasen „schrieb Geschichte“ oder „trug sich in die Geschichtsbücher“ verwenden. Man darf getrost annehmen, dass sie nicht wissen, wovon sie schrieben, wenn sie diese Wort schreiben.

Gott bewahre, es tritt wirklich ein historisches Ereignis ein, dann erkennen sie es nicht. Der Tod von Fritz Baumrock ist ein Einschnitt, ein Zeichen, das weit zurück in die Formierun der „sogenannten „Skination Österreich“ weist. Erst unlängst wurde sie mit dem Auftritt Marcel Hirschers im ORF zur Primetime lächerlich gemacht. Nicht durch Hirscher selbst, auch wenn er die ihm in den Schoss fallenden unangemessenen Huldigungen mit der Geduld des Unverständnisses über sich ergehen ließ. Die Narrenmacher kamen aus der Medienszene, die jeden Sinn für Proportionalität verloren hat und jede Anstrengung für die ihrem Beruf aufgetragenen Einordnung von Ereignissen in einen größeren Zusammenhang vermissen lässt. Nicht nur im Sport, selbstverständlich nicht, man sehe nur die endlose Reihe von „Wahlduellen“, in denen Politiker aufeinandergehetzt werden, das Publikum sitzt schenkelklopfend oder schalschwenkend daneben und Journalisten „analysieren“ eine Minute später den Spektakelwert, den weiter vermögen sie nicht mehr zu sehen.

Es ist eine Schande, und die Ignorierung von Fritz Baumrocks Tod ist nur eine weiterer, kleiner Hinweis auf die Erodierung der ethischen und intellektuellen Fundamente dieser Republik.

Johann Skocek

 

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2 Antworten zu Fritz Baumrock, der letzte der großen Skilehrplanpäpste, ist tot

  1. Fritz Köhler schreibt:

    na, eine kleine relativierung der österreichischen schi-autokraten aus ost oder west wäre aber schon auch angebracht. das mit der „biomechanik“ wäre ja ein guter warnschuss für die selbsternannten schikaiser gewesen, aber es fehlte im schisport schon immer die proportionalität und eine qualitätskontrolle in der öffentlichkeit.
    so gesehen war die Hirscheriade zwar ordentlich peinlich, aber gar nicht überraschend.
    es scheint in österr. medien überhaupt „gesetz“ zu sein, dem zuschauer zuerst etwas zu zeigen, ihn dabei möglichst nicht nachdenken zu lassen, sondern ihm sofort zu erklären, was er jetzt gesehen hat und danach auch noch zu analysieren, bis er jede selbstachtung vor einem eigenen urteil verloren hat.

  2. Pollany schreibt:

    Ich hatte das Privileg, Fritz Baumrock zwei Jahre lang als Turnlehrer zu haben, und zwar die letzten beiden Jahre vor der Matura, so dass ich mich durchaus mit seiner Persönlichkeit auseinander setzen konnte. Einer seiner größten Vorzüge war, dass er von seinen Schülern nichts verlangte, was er nicht selber vorzuleben bereit war. Das zeichnet ihn als hervorragenden Erzieher aus, ebenso wie seine Beharrlichkeit, die natürlich von Gegnern als Sturheit und Inflexibilität angeprangert wurde.
    Dass der Tod dieses herausragenden Pädagogen und Forschers von Seiten derer, die ihn eigentlich hätten würdigen sollen, völlig ignoriert wurde, reiht sich logisch in die Ignoranz der Beteiligten ein, mit der sie auch Jahr für Jahr die hohe Anzahl an schweren Verletzungen im Skisport krokodilstränenreich bedauern, ohne aber die recht einfachen Gegenmaßnahmen zu treffen.
    Hier gehe ich mit Fritz konform, was „biomechanisch“ ist, scheint für diese selbsternannte Gruppe von Experten weiterhin ein Buch mit sieben Siegeln zu bleiben.
    Und über Coaching, Lehren und Erziehen in diesem Dunstkreis breiten wir besser den schonenden Mantel des Schweigens….
    Dr. W. Pollany, MSc

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