Der Winter ist ein teurer Traum

Ein Parallel-Slalom im Schönbrunner Schlossgarten: eine Materialschlacht um rund zehn Millionen € aufwärts.

Ein Ski-Event vor dem Schloss Schönbrunn? Wiener Winter Wonderland! Tatsächlich grenzt es an ein Wunder, in eine Großstadt eine Slalompiste samt Zuschauer- und Zielraum zu zaubern. Nicht nur der warmen Winter wegen, die heuer die Herstellung von Maschinenschnee verweigerten und München zur Absage seines „FIS Ski World Cup“ (1. 1. 2015) auf dem 60 Meter hohen „Olympiaberg“ zwangen. Wie schon 2014 und 2012. In München fanden 2011 und 2013 Skirennen statt, in Moskau 2012 und 2013. Seither ist Pause. Falls es nach dem Willen des ÖSV-Präsidenten Peter Schröcksnadel geht, soll der Schlossgarten von Schönbrunn nun die City-Events aus dem Koma holen. Das Geläuf gehört den Bundesgärten, Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter hat Unterstützung zugesagt.

Mehr aber auch nicht. „Der Minister wird sich für die Genehmigung einsetzen“, sagt das Ministerbüro. An eine finanzielle Unterstützung sei nicht gedacht. Der Skiverband würde als Veranstalter auftreten und müsste sich vorher die Erlaubnis der Bundesgärten, des Bundesdenkmalamtes und der UNESCO holen. Das Schönbrunner Ensemble ist seit 1996 Weltkulturerbe.

Der technische Aufbau der Strecke sollte, den politischen Willen und das Kleingeld von mindestens zehn Millionen € vorausgesetzt, „in zwei Wochen erledigt sein“, sagt Martin Schnitzer. Er lehrt als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Innsbruck Sportmanagement. Die Planungen für eine derartige Veranstaltung benötigen freilich rund ein dreiviertel Jahr. Lange darf sich Schröcksnadel mit der Auftragsvergabe also nicht mehr Zeit lassen, falls er am 1. 1. 2016 in Wien carven lassen will.

Wie schaut die Hardware für so ein Spektakel aus? Der Falter befragte einen Event-Profi, der Mann bat um Anonymität. Für den Anfang, sagt er, braucht es rund 2000 Tonnen Stahl für das Gerüst der Skirampe. Das ist ein Fußballfeld voll, sechs Meter hoch. Hunderte Lkw bringen den Stahl nach Schönbrunn. Angesichts des lebhaften Verkehrs in der Wiener Westeinfahrt vor der Kaiserin Sissis ehemaligem Eigenheim eine logistische Meisterleistung.

Auf das Stahlgerüst kommt die Holzauflage, auf die wiederum der Schnee. 6000 – 8000 Kubikmeter, rund 50 Tonnen. Dazu Toiletten, Sicherungsgitter, Schneekanonen, Stromleitungen. Zwei 200 Tonnen-Kräne heben das Material her und wieder weg. Das Schmelzwasser muss in die Kanalisation abgeleitet werden, um die Verschlammung der Gärten zu verhindern und das Schloss nicht wegzuschwemmen. Auf der Rampe arbeitet eine Pistenraupe (vier Tonnen), wenn sie arbeitet drückt sie mit bis zu 15 Tonnen dynamischer Last auf den Quadratmeter.

Das enorme Gewicht belastet die hängenden Gärten. Während des Auf- und Abbaus pflügen Lkw durch das Areal. Arbeiter – rund 20 erfahrene Supervisoren plus 60 bis 80 Hackler – marschieren wochenlang über die durchweichten Wege und Wiesen. Die Schönbrunner werden darauf achten müssen, dass die post-eventale Anlage nicht einem Zuckerrübenacker nach der Ernte gleicht.

Der Wintersport wandelt sich von einer Tätigkeit rund um alpine Skidörfer zu einer industriell organisierten Branche. Events wie das „Air & Style“ in Innsbruck erreichen „die Jugend“, sagen Touristik-Werber. Doch die warmen Winter sind das Missvergnügen der Marketingstrategen.

Mit Geld ist freilich alles machbar, sagt Martin Schnitzer. Die Gesamtkosten des Schönbrunner Events dürften rund zehn Millionen € betragen. Für „Air & Style“ in Innsbruck veranschlagen die Organisatoren rund zwei Millionen € operative Kosten. Der größte Unsicherheitsfaktor ist der Schnee. Falls milde Witterung (wärmer als plus 3 Grad, mehr als 30 Prozent Luftfeuchtigkeit) keine Beschneiung erlaubt, holt man ihn aus fernen Depots per Helikopter. Die teuerste Produktionsvariante aber ist ein Stickstoffzelt (10 x 6 m), in das Wasser gespritzt und zu Schnee verwandelt wird.

Umweltfreundlich? Weltcuprennen werden längst nicht mehr auf Schnee, sondern auf „Crashed Ice“ ausgetragen. Daher empfiehlt Martin Eppacher vom Weltmarktführer für Kunstschneeanlagenbau, Techno Alpin, folgende Methode: In einem Container wird Wasser gefroren und zu winzigen Würfeln zerhackt, die per Förderband ins Freie purzeln. Eppacher: „Das ist fast wie Schnee und für eine Piste ideal.“ Macht 1,5 bis 4 € pro Kubikmeter. Kommt darauf an, was das Wasser kostet.

Die Stadt Wien könnte die Werbung gut brauchen, fühlt sich aber für die Veranstaltung (noch?) nicht zuständig. Anatol Richter, der Leiter des Sportamts (MA 51): „Mit uns hat niemand Kontakt aufgenommen.“ Er findet die Idee zwar „toll“, verweist aber auch auf die „Lawine an Energiekosten“ einer derartigen Veranstaltung.

Wiens Skiverbandspräsident Hermann Gruber hat das grundsätzliche Einverständnis des Schönbrunn-Geschäftsführers Franz Sattlecker für den Event. Voraussetzung: Der Garten ist nach dem Event so schön wie vorher. 2012 hat Gruber mit dem damaligen Renndirektor der FIS, Günther Hujara, das Gelände besichtigt. Gruber: „Falls wir eine Ehrentribüne im Zielraum aufstellen, wäre der Hang zu kurz für einen Weltcup-Parallelslalom.“ Die VIP-Tribüne könnte auch vor der Gloriette stehen. Wegen des Gewichts der Tribüne eine problematische Angelegenheit.

Aber vielleicht sind ja alle diese Überlegungen und Rücksichten bald obsolet. Denn Gruber entdeckte auf seiner Suche nach einem Wiener Skiberg „eine Wiese in Grinzing“, wie er sagt. Dort gibt’s zwar auch keine Infrastruktur und keinen Skilift, aber mehr Platz. Und das Krapflwaldlbad ist in der Nähe, was die Idee nahelegt, Wien zum Ausgangspunkt eines Sommerski-Zirkus zu wählen. Gras ist eine viel verlässlichere Unterlage als Schnee und das Catering aus Grinzing würde selbst Feten wie „Air & Style“ alt aussehen lassen.

 

FAKTEN I: Aufwand für ein Skirennen in Schönbrunn: 2000 Tonnen Stahl, zwei 200 Tonnen Kräne mit 60 Meter Reichweite, 6000 bis 8000 Kubikmeter oder 50 Tonnen Schnee; Schneekanonen oder ein Stickstoiff-Zelt oder eine Kühlhalle zur Schneeherstellung; vier Wochen für den Aufbau, zwei Wochen für den Abbau, rund 10 Millionen € für Material und Bau-Logistik, neun bis 12 Monate Vorlaufzeit, 20 fachkundige Supervisoren, 80 (Hilfs)Arbeiter

FAKTEN II: In Moskau probierten sie 2009 mit Amateuren, die Ski-Rampe aufzubauen. Sie krachte zusammen, worauf man professionelle Hilfe holte. Der Aufbau dauerte schließlich vier Wochen. Der Abbau ebenfalls, weil das zu einem soliden Eisblock gefrorene Stahlgerüst auseinandergeschnitten werden musste.

FAKTEN III: Die FIS träumt angeblich von einer mobilen City-Ski-Rampe, mit der man in der Art eines fahrenden Zirkus von Metropole zu Metropole ziehen und für den Skirennlauf Werbung machen kann

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3 Antworten zu Der Winter ist ein teurer Traum

  1. w.r. schreibt:

    hier drängt sich mir die meinung auf, daß es sich dabei um eine richtig abgehobene aktion für und von wohlstandsgeschädigten großstädtern handelt. viel (steuer)geld für nichts, denn so naiv wird der gelernte wiener nicht sein um nicht zu ahnen, dass die kosten nicht vom skiverbandspräsidenten und sportexperten für eigentlich eh alles des amtierenden sportministers getragen werden. wäre er sonst millionär geworden? einer wiener stadtregierung, die seit jahrenzehnten nicht in der lage ist ausreichende indoorsportflächen für die wiener jugend herzustellen oder sich adäquat um wiener unterstandslose zu kümmern traue ich das durchaus zu.
    immerhin wurde ja auch eine wildwasseranlage um millionen gebaut, ihr aber seitens der wiener verwaltung eine zufahrt zu der mit wiener fördergeldern erbauten sportanlage verwehrt.
    eine weiteres, teures und größtenteil sinnentleertes ski spektakel passt da gut ins programm.
    bei der vermarktung würden dann ja sicher auch die wiener olympiabewerbungsexperten mitwirken. damit kommt der tag immer näher, an dem ein mann wie strache politsche verantwortung in wien übernehmen wird.
    gute nacht freundschaft

  2. frizzdog schreibt:

    ein geltungsgeiler traum, ursprünglich seinerzeit von einem ziemlich gestörten pseudoabfahrtsläufer Walter MAYERL des Wiener Schiverbandes in die welt gesetzt, fand nun von einem denkmalsüchtigen ÖSVchef endlich gehör. die wiener schiverbandsfunktis sind froh, dass man wieder mit ihnen spricht. nein: eher VON ihnen. man kann nur hoffen, dass dieser unsinn an den weltspitzen-schiläufern vorbeigeht.

  3. frizzdog schreibt:

    endlich ein artikel mit klaren angaben über fakten!
    eine seltenheit heutzutage!

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