Ski-WM Schladming und die Synergien von Kameralismus, Monopolismus und Neoliberalismus
Die öffentliche Hand muss sparen, kürzt Budgets für Bildung, Gesundheit, öffentliche Sicherheit und andere. Alle Bereiche der staatlichen Verwaltung? Nein, ein kleines Dorf leistet hartnäckig Widerstand. Es hat keine Postleitzahl, sondern zieht wie ein Nomadenstamm durchs Land. Zurzeit residieren seine Bewohner in Schladming. In den zwei Wochen der Ski-WM (4. – 15. Februar) feiern sie ausgelassen ihre Unabhängigkeit.
Das Dorf heisst Spitzensport und die öffentliche Hand garantiert den Einwohnern ein sorgenfreies Leben. Die Grundversorgung ruht auf dem Monopol der Dachverbände ASKÖ (SPÖ) und Sportunion (ÖVP), des neutralen ASVÖ und der beiden übermächtigen Fachverbände für Fußball (ÖFB) und Skisport (ÖSV). Das soeben im Nationalrat beschlossene neue Sportfördergesetz des Bundes hat daran nichts geändert.
Die Verfilzung von Sportverbänden mit Parteipolitik sorgt auch für reibungslose Fördergeldgewährung für Mega-Events wie der Ski-WM. Im Fall von Schladming ging zwar das Sportministerium transparent mit den Subventionen (24 Millionen Euro für Infrastrukturvorhaben) um. In der Steiermark hingegen verlangt die Opposition im Landtag seit Jahren vergeblich von der rot-schwarzen Landesregierung konkrete, vollständige Zahlen über das Projekt Schladming 2013.
Der für die Landesbeteiligungen und daher auch für die Schladminger Planai-Bergbahnen zuständige Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer (ÖVP) verweigert jedoch die Auskunft. Derart intransparente Amtsführung sollte seit dem vom SPÖ-„Polittalent“, Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, verantworteten Salzburger Finanzsaustall der Vergangenheit angehören. Die Opposition forderte eine Kontrolle der WM-Subventionen durch den Landesrechnungshof, die Regierungskoalition schmetterte den Antrag ab.
Immerhin hat Landeshauptmann Franz Voves ein paar Zahlen herausgerückt: 141 Millionen Euro spendete die Steiermark dem 14tägigen Schneespaß. Davon sind 62 Millionen „unmittelbar WM-relevant“, der Rest geht für Verbesserungen der Schladminger Infrastruktur auf. Ist das alles? Niemand weiss es.
So notwendig ein Spekulationsverbot ist, so überfällig ist ein Transparenzgebot für Landesbudgets. Die spätfeudale Kameralistik der steirischen Landesregierung und das Monopol des ÖSV sind ein unschlagbares Geschäftsmodell. Wie die FIS mitteilte, werden Weltmeisterschaften üblicherweise von einer AusrichtungsgesmbH organisiert, welche der nationale Skiverband und der Veranstaltungsort gemeinsam bilden. In Schladming regiert allein der ÖSV. Nur ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel und der ÖSV-Generalsekretär Klaus Leistner wissen, wieviel die WM kostet. In dem vom ÖSV verteilten Budget werden sämtliche Bereiche mit Prozenten vom Gesamtvolumen ausgewiesen.
Der ÖSV sagt, er habe von der FIS für die Durchführung der Wettbewerbe 32 Millionen Franken erhalten. Na ja, Garmisch bekam vor zwei Jahren angeblich 42 Millionen Schweizer Franken, der ÖSV wird wohl ein Alzerl mehr gekriegt haben. Die ÖSV-Tochter Austria Ski und GroßveranstaltungsgesmbH“ organisiert die Sause, Schröcksnadel und seine rechte Hand Leistner sind Geschäftsführer. Das vom ÖSV verteilte Organigramm schaut aus wie eine Sonne, alle Strahlen gehen vom Tiroler Ski-Napoleon aus. Auch das Controlling besorgt er selber. Getreu dem neoliberalen Motto: Nur ja keine staatlichen Eingriffe in die unternehmerische Tätigkeit. Es sei denn, es handelt sich um Subventionen.
Das im globalen Sport-Business übliche und selbst von der EU abgesegnete Monopolsystem – ein Verband pro Nation pro Sportart – ist Schröcksnadel auf den Leib geschrieben. Als Schröcksnadel (71) den ÖSV 1990 übernahm, war er ein kleiner Un ternehmer, der Pisten-Sicherheitssysteme und Panoramakarten für Liftstationen herstellte. Mittlerweile hat er das ÖSV-Budget von 38 Millionen Schilling auf 42 Millionen Euro gepusht. Persönlich hält er unter anderem Beteiligungen an mehreren Skiliften in Österreich, angeblich interessiert er sich für die Schladminger Planai-Bahnen. Seine Feratel Media Technologies sorgt für Tickets und Presse-Akkreditierungen bei heimischen Weltcuprennen. Vor einigen Jahren kaufte der ORF den von Schröcksnadel aufgebauten Wetter-Panorama-Sender TW 1 und just der ORF kriegt jedes Mal die Übertragungsrechte an inländischen Ski-Events. Seine neueste Flause scheint eine Kampagne für Winterspiele in und um Wien zu sein.
Vor Schröcksnadels Herrschaft wurde jedes heimische Skirennen von einer Agentur seiner Wahl vermarktet. Um Kitzbühel beispielsweise kümmerte sich eine Agentur namens APF, die auch mehrmals bei der TV-Auslandsvermarktung der ÖFB-Länderspiele zum Zug kam. Schröcksnadel riss sämtliche Marketingrechte an sich. Nur der ÖSV sei berechtigt, Werbung und Sponsoring für „seine“Weltcup-Rennen zu verkaufen, dekretierte er. Und behielt Recht, sogar vor Gericht. Der ÖSV vermarktet heute manche Sportler und Produkte mit eigenen Gesellschaften und bedient sich zusätzlich der Dienste einer Agentur, die dem ehemaligen österreichischen Abfahrtsweltmeister Harti Weirather gehört.
Der ÖSV und die Ski-WM: Eine Agenda Austria reinsten Wassers. Der Kleinbonum-Spin Off ÖSV und die Ski-WM sind der Traum vom Staat im Staat. Hier leben Kameralistik, Monopolwesen und Neoliberalismus in Symbiose miteinander: Der Alleinanbieter ÖSV kriegt,was er will. Die altmodische Verwaltung öffentlicher Budgets unterstütz und kaschiert willkürliche Steuermittelvergabe und erfüllt in einem Aufwaschen das neoliberale Dogma von der Interventionsabstinenz des Staates.
Um die Inszenierung unangreifbar zu machen, wird es in Herzen und Hirnen mit quasi-religiöser Inbrunst verankert. Die Ski-Heroen treten als Ersatz-Heilige aus der Epistel vom individuellen Profitstreben als Garant für das Wohlergehen des Einzelnen auf. Als einzige Angst des Österreichs bleibt, dass ihm die Steuermittel für den Trip auf den Kopf fallen. Aber sowas Lächerliches können nur Fremde denken.
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