Wenn nicht ein Wunder geschieht, kehrt das ÖOC-Team von London ohne Goldene heim. Das wäre dann der späteste Zeitpunkt, einen Untersuchungsausschuss über das heimische Sportsystem einzurichten
Die Verabschiedung beim HBP Heinz Fischer war so würdig und weihevoll, wie säkulare Weihefeiern heute eben sind. Die Handauflegung des Staatsoberhauptes war geleistet, die Athleten konnten frohen Mutes zum Fest der Völkerverbindung aufbrechen. Das ÖOC-Reisebüro verschickt ein Fähnlein von 70 Teilnehmern, mit Zuversicht und schicken Trainingsanzügen ausgestattet, nach London. Ganz im Sinne des IOC-Gründers Pierre de Courbertin, der 1894 auf dem Kongress zu Paris die moderne Geschichte des Olympismus organisiert hatte.
Jetzt ist es zwar auch schon wieder drei Monate her, dass der Entwurf zur Änderung des Sportförderungsgesetzes bei der Bundessportorganisation (BSO) zur Begutachtung eingelangt ist. Seither hat man nichts mehr von ihm gehört. Vielleicht ist das ja normal so. Jede Neuerung setzt Leid und einen Anlass voraus, die Qualen zu beenden. Und offenbar ist der Schmerz noch nicht groß genug. Nun wird niemand, der guten Willens ist einem Sportler, der sich Jahre und Jahre abgemüht hat, das Erlebnis der Sommerspielen neiden. Sollte die ÖOC-Reisegruppe jedoch ohne Loh heimfahren, der sich wie eine Medaille angreift, wird doch die ineffiziente, administrativ überbelegte und in diverse Quellen und Kanäle zerspragelte Spitzensportförderung endlich reformiert?
Sicher darf man sich freilich nie sein, dass ein dysfunktionales System ein Einsehen mit sich zeigt. Österreich weist diesbezüglich einen Haufen „Hidden Champions“ auf. Seit noch unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die Besondere Spitzensportförderung um rund die Hälfte (auf rund 80 – 90 Mio€ im Jahr) angehoben wurde, hat das Land keinen Olympiasieger im Sommer mehr zustande gebracht. Die Triathletin Kate Allen und die Tornado-Segler Roman Hagara/Hans-Peter Steinacher waren in Athen (2004) die Letzten. Peking 2008 (zwei Silber, eine Bronzene) endete wie in finstersten Zeiten.
Unter den ÖOC-Ausflüglers finden sich mit Markus Rogan und Dinko Jukic (beide Schwimmen), Ludwig Paischer und Sabrina Filzmoser (beide Judo) routinierte Kandidaten für die Top Five und das Finale. Hnen Chancen auf den Sieg zuzurechnen, solange alles mit rechten Dingen zugeht, wäre eine Schmeichelei. Das Kajak-Duo Yvonne Schuring/Viktoria Schwarz ist noch vielleicht der beste Tipp, die Damen sind Weltmeister, haben aber auch schon Nervenflattrigkeit im entscheidenden Augenblick bewiesen. Sie sind noch dazu Novizen, und eine alte Weisheit sagt, dass man beim ersten Mal den Spielen opfern muss, bevor sie einem Gnade erweisen. Die Schützen Thomas Farnik und Christian Planer (Bronze in Athen) sind alte Hasen, beide haben ihren Zenit lang überschritten.
Alle Anderen haben sich dem Motto „Dabeisein ist alles“ folgend der Reisegruppe angeschlossen. Das ist durchaus ehrenwert und immerhin die zweitbeste Möglichkeit. Österreich könnte sich ja aus dem Wettrüsten herausnehmen und in Zukunft anständige Spitzensportler ohne Anspruch auf die Eliteklasse ausbilden. In mageren Zeiten, wo alle Sorge der Ausbildung der Banker gilt, wäre das eine zeitgemäße Maßnahme und würde im Sportsektor den Bedarf an Wichtigen drastisch reduzieren. Der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk beschreibt in seinem neuen Buch „Du musst dein Leben ändern“ Funktionäre als „unentbehrliche Parasiten des Sports“. Damit sind natürlich die Herrschenden von IOC, FIFA und UEFA gemeint. Doch für ein Land wie Österreich, das bei allem überreichlichen Geldmitteleinsatz kaum mehr Sieger herauszubringen imstande ist, könnte dem Gedanken nähertreten, die Goldenen Zeiten der Funktionärskaste einer Wende zuzuführen.