Von Männern, die fremdes Gut achten

Ex-ÖOC-Generalsekretär Heinz Jungwirth steht wegen des Verdachts der Untreue vor Gericht. Die Anklage basiert zu wesentlichen Teilen auf einem Privatgutachten der BDO Auxilia Treuhand, die seit vielen Jahren für die Casinos Austria arbeitet

 

Die mutmaßlichen Malversationen im Österreichischen Olympischen Comitee ÖOC erreichen am 7. Mai das Landesgericht Wien. Der ehemalige ÖOC-Generalsekretär Heinz Jungwirth und seine Stellvertreterin sind der Untreue (§153 StGB) angeklagt. Jungwirth wird vorgeworfen, das ÖOC um rund 2,7 Millionen Euro geschädigt zu haben. Sein ehemaliger Chef, Ex-ÖOC-Präsident Leo Wallner, soll am Dienstag als Zeuge unter Wahrheitspflicht aussagen.

Jungwirth war dem Präsidenten weisungspflichtig und dessen Aussagen könnten zur Erhärtung oder Klärung der Vorwürfe beitragen. In einem Telefonat vor zehn Tagen konnte sich Wallner nicht mehr daran erinnern, ob er von der Staatsanwaltschaft Salzburg selber als Beschuldigter geführt wird oder nicht. Die Anwältin Huberta Gheneff bestätigte der „Presse“, dass gegen Wallner sehr wohl weiterhin ermittelt wird. Wie auch gegen weitere Verdächtige. Jungwirth trat Ende Februar 2009 aus dem ÖOC aus.

Die Inhalte der Anklage werden am Montag in der „Presse“ näher erläutert. Heute geht es um die Geschichte einiger Gutachten, auf die sich die Staatsanwaltschaft stützt. Als die ersten Medienberichte über Malversationen im ÖOC und die angebliche Bereicherung Jungwirths auftauchten, veranlasste die ÖOC-Rechnungsprüferin Bettina Glatz-Kremsner (Casinos Austria) eine Prüfung durch die BDO Auxilia Treuhand, die seit vielen Jahren die Bilanzen der Casinos Austria testiert. In einer Sitzung im Casino Baden trug Glatz-Kremsner die Ergebisse aus dem Abschlussbericht (28. 7. 2009) vor: Ein Refundierungsbedarf von Jungwirth in der Höhe von 72.285,17 €. Davon hatte Jungwirth bereits vor der Prüfung 18.750,47 € zurückgezahlt. Den Rest beglich er bald darauf.

In einer Untersuchung von Deloitte Audit über die „widmungsgemäße Verwendung der öffentlichen Mittel“ im ÖOC fand sich am 30. 7. 2009 kein Anlass für wesentliche Beanstandungen. Doch der mediale Wirbel um mutmaßlichen Unterschleif im ÖOC wollte sich nicht legen und ÖOC-Präsisdent Leo Wallner trat Mitte September 2009 zurück. Der neue Generaldirektor der Casinos Austria, Karl Stoss, ersetzte ihn am 22. Oktober.

Am 25. September geht Leo Wallner in die Offensive und bittet – wiederum – die BDO, „die Vereinsrechnungsprüfer sowie die vom ÖOC eingesetzte Kommission“ bei der Prüfung der Rechnungsabschlüsse 2005 bis 2008 zu unterstützen. Neo-Präsident Karl Stoss schließt sich am 15. Dezember 2009 Wallners Bitte an. Die BDO prüft bis heute die Casinos. Mit der Arbeit wird ein alter Bekannter der Herren Wallner und Stoss‘ betraut: Walter Knirsch, der zu diesem Zeitpunkt bereits pensionierte Geschäftsführer der KPMG. Er erstellt für die BDO ein unabhängiges Gutachten. Zu diesem Zeitpunkt ist Leo Wallner noch nicht Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen.Als Knirsch am 14. Jänner 2008 von der KPMG verabschiedet wird, befinden sich unter den Gästen neben Wallner und Stoss unter anderen der Chef der Raiffeisen Zentralbank Walter Rothensteiner und die Finanzmarktaufseher Kurt Pribil und Peter Braumüller. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer plaudert über seine Beziehung zu Knirsch und Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad hält die Laudatio und verleiht Knrisch „die Raiffeisen Münze in Gold für überragende Verdienste um den Bestand und die Förderung der Raiffeisenorganisation“ (Pressemitteilung KPMG, 15. 1. 2008).

Die gemeinsame Geschichte von Knirsch und Wallner beginnt im Mai 1996 in Australien. Anfang des Jahres haben die Casinos dort ihren lukrativsten Standort auf Christmas Island verloren, die Aktien der Casinos International CAI sind in den Keller gerasselt. Am Mietauto von Josef Melchart platzt ein Reifen. Melchart, Generaldirektor des Bankhauses Schelhammer &Schattera, stirbt, seine Frau und der ebenfalls mitfahrende Gerhard Puschmann, Generaldirektor der Donau-Versicherung, werden schwer verletzt. Am Samstag, dem 4. Mai 1996, schreibt die „Presse“: „Melchart und Puschmann saßen im Aufsichtsrats-Präsidium der Casinos Austria AG, mit der sie auch in Australien waren.“ Schelhammer & Schattera gehört mehreren katholischen Orden und hält damals eine Beteiligung (5,31%) an der Casinos Austria AG (CASAG).  Melcharts Privatstiftung besitzt bis heute fast fünf Prozent an der CASAG. Die Donau-Versicherung gehört zum Teil der Erste Group Bank AG und der Wiener Städtischen ist wie der Raiffeisen-Konzern über Beteiligungsgesellschaften an der CASAG beteiligt.

Nach dem Unfalltod Melcharts wird Walter Rothensteiner, Generaldirektor der Raiffeisen Zentralbank, zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden der CASAG gewählt. Damals prüft nur die BDO die Bilanzen der Casinos, Rothensteiner zieht die KPMG und Knirsch als zweiten Prüfer hinzu. Seit damals wird in den Jahresberichte der BDO Auxilia Treuhand und der KPMG gedankt

Das von Knirsch für die BDO gefertigte Papier erhält vorerst nicht der Staatsanwalt, sondern über das „Format“ die Öffentlichkeit. Am 15. April 2010 zitiert das Magazin Format aus dem Bericht, der Verbleib von drei Millionen Euro sei ungeklärt, und werde vom ÖOC (also von Wallners Nachfolger Stoss) mit dem Etikett „kriminelle Energie“ versehen.

In der Anklageschrift wird Jungwirth der Untreue im Ausmaß von 2,7 Millionen € verdächtigt. Der krasse Unterschied zum ersten BDO-Papier erklärt sich aus der Tatsache, dass Knirsch das ominöse „Verrechnungskonto“ des ÖOC fand und offenbar sämtliche Transaktionen darauf und daraus Jungwirth als private Bereicherung anrechnet. Das Konto war im Mai 2001 von Leo Wallner und dem damaligen Finanzreferenten des ÖOC, Lothar Scheer, eröffnet worden. Über dieses Konto (Konto-Nummer 4.293.700, Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien) ließ Casinos Austria Generaldirektor Wallner unter anderem die Einladung des weissrussichen Diktators Alexander Lukaschenko 2002 nach Tirol zum Wohl der österreichischen Wirtschaft begleichen (rund 200.000 €).

Die Staatsanwaltschaft Salzburg beauftragte 2010 den Wirtschaftsprüfer Helmut Lercher mit einem Gutachten über das ÖOC. In seinem Werk finden sich zahlreiche Verweise auf Knirschs Elaborat, eine Passage (Seite 74) sei beispielhaft ausgewählt: „Aus der Analyse des Herrn Dr. Knirsch über ungeklärte Geldabflüsse aus dem ÖOC ergibt sich . . .eine Summe von rund Euro 3,439,000“. Eine von vielen Fragen ist: Hat Lercher selber recherchiert oder Knirschs Angaben nur noch einmal zusammengezählt? Lercher wollte sich auf eine entsprechende Anfrage nicht zu seiner Arbeitsweise äußern.

Knirsch selber gibt sich entspannt. Er kann keine Unvereinbarkeit oder gar Befangenheit erkennen, die sich aus seiner langjährigen Arbeit und dem Engagement der BDO für die Casinos ergeben könnte.

Jedenfalls finden sich auch in der Anklage zahlreiche Angaben aus Knirschs Prüfbericht. In den Ausführungen zum Schadensausmaß verweist die Anklage beispielsweise auf Barbehebungen des ÖOC bei der Raiffeisen Landesbank-NÖ. Die Höhe des „entstandenen Schadens fußt ebenfalls auf den von Dr. Walter Knirsch erstellten Tabellen“ (Seite 24). Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Salzburg, Barbara Feichtinger: „Der Gerichtsgutachter steht unter Eid, worauf er sich stützt, ist seine Sache.“

Jungwirths Verteidiger Herbert Eichenseder nimmt die Verwendung von Privatgutachten als Beweismittel der Anklage eher gelassen. Eichenseder: „Sie werden behandelt wie Zeugenaussagen, haben allerdings nicht den vollen Beweiswert wie ein Gerichtsgutachten.“ Ein prominenter Gutachter, der um Anonymität ersuchte, ist anderer Meinung: „Privatgutachten haben vor Gericht nichts verloren. Aus, basta.“ Denn die Unabhängigkeit eines privaten Gutachters könne weder eingeschätzt noch garantiert werden.

Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Siehe auch johannskocek.com

 

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