Der Wuchteldrucker und die Sphinx

Hannes Kartnig ist das Lehrbeispiel für einen Fußballfunktionär, der scheitern musste, weil er zu viele Talente und Freunde hatte und zuwenig Disziplin, um die Guten von den Schlechten zu trennen

Länderspiel in Ägypten vor 150 Jahren. Im Tross des Nationalteams ein lustiger, vollschlanker Grazer, der für eine Küchenfirma und andere ÖFB-Werbepartner Planen rund ums Spielfeld platziert. Der witzge Wutzel mit den wehenden Wellen am Schädel steigt ins Geschäft ein und sollte es weit bringen. Angefangen hat er in Graz angeblich mit Versicherungen, anschließend hat er einen Haufen Werbeflächen in die Hand bekommen und an politische Parteien vermietet. Das macht er bis heute, und nach wie vor sind manche darüber glücklich und manche grantig.

Der Grazer Schmähbruder freundet sich flugs mit dem ÖFB-Generalsekretär Gigi Ludwig und anderen Fußball- und Polit-Granden an. Sturm Graz und GAK sind traurige Trümmerhaufen, aber der wendige Werber rettet erst einmal den Grazer Eishockeyklub. Zumindest verbal, denn von Länderspiel zu Länderspiel wächst sein Ruf als Prediger wider die Faulheit und die Gier der Fußballer. Motto: „Die sollen sich anschauen, wie sich die Eishackler einehaun, und die verdienen im Vergleich zu den Scheiss-Kickern Heidelbeeren.“ Das Wohlwollen des Sport- und Verkehrslandesrates Gerhard Hirschmann hatte er damals wohl schon, das sollte sich zu einem innigen Verhältnis auswachsen, Reisen mit Sturm Graz zu dem einen oder anderen Europacup-Match eingeschlossen. Der Grazer Eishockeyklub ging übrigens pleite. Ohne Meistertitel.

Man könnte Märchenbücher damit füllen, wie der inzwischen wohlgefüllte Wuchteldrucker den Mächtigen seine Botschaft hineinrieb und dafür zigzig Millionen Schilling/Euro an Subventionen abcashte. Bis heute ist von einer gründliche Revision der öffentlichen Förderungen für den Januskopf Sturm/GAK zumindest öffentlich nichts bekannt. Ein Schicksal, das die Steirer mit den Nachbarn unterm Lindwurm teilen.

Das Tun und Lassen des Hannes Kartnigs und seine Folgen (5 Jahre unbedingt, 6,6 Millionen € Buße, Urteil nicht rechtskräftig) muss man wohl so einordnen: ein weit über den Kreis der mit ihm verurteilten Vorstandsmitglieder reichendes Netzwerk, das zwar strafrechtlich unbedenklich agiert haben mag, aber mit Kartnig in einem Wolkennarrenheim wohnte. Ich kann mich an die erste Meisterfeier von Sturm Graz erinnern, Kartnig hielt Hof und die Provinzpolitiker von Landesmutter Klasnic abwärts scharwenzelten um ihn herum. Den Höhepunkt des Abends bildete ein Kabarettprogramm zweier steirischer Erdäpfel, das von primitivsten Zoten gegen „Wien“ und die „Wiener“ nur so strotzte.

Wenn sie vom „Fürsten“ und „Zaren“ Kartnig schreiben, so ist das eine Nobilitierung aus der Not, denn das Feudale in Kartnigs Konfiguration reichte nie über das Niveau des kecken, karrieregeilen Kleinbürgers hinaus. Seine wahre Stärke war angesichts der geradezu spielsüchtigen Eskalation des Kaders nicht die kaufmännische Sorgfalt. Er perfektionierte vielmehr die schlagfertige in gewissem sinne „politische“ Vertreterschläue, die sich nicht um die Folgen ihrer Entscheidungen schert und ihn andererseits damals unter den Pyramiden wohltuend vor der Kulisse der grauen Funktionäre abhob. Mit einem gleich starken Partner, der ihm sein Spielfeld abgesteckt und die Ausritte in den (wirtschaftlichen) Wahnsinn unterbunden hätte, wäre er heute noch mit Sturm Fußballmeister. Aber wie alle Prediger, die ihre Sehnsucht nach Aufstieg mit einem Ruf von oben verwechseln, musste er an seinem Sendungsbewusstsein scheitern. Er ist sich selbst eine Sphinx. Denn ich glaube, dass er echt leidet und wirklich nicht versteht, was er mit sich und seinem geliebten Klub angestellt hat.

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